City of Girls

Elizabeth Gilbert

Aus dem Amerikanischen von Britt Soemann-Jung

S. Fischer, Mai 2020

496 Seiten, € 16,99

 

 

 

 

Nachdem dieser Roman monatelang auf der New York Times-Bestsellerliste gestanden hat und auch bei uns begeisterte Kritiken erhielt, war ich gespannt auf diesen Roman.

Die Ich-Erzählerin Vivian erhält mit 89 Jahren 2010 einen Brief von einer Angela, der sie 1971 ihr Hochzeitskleid genäht hat. Von Angela erhielt sie auch die Nachricht, dass ihr Vater 1977 gestorben ist, der ihr offenbar sehr nahegestanden hat. Angela fragt Vivian in ihrem Brief, „was sie für ihren Vater gewesen ist“. Eine Frage, die im Grunde nur ihr Vater hätte beantworten können und da Angelas Mutter auch nicht mehr lebt, steht nun Vivian vor dieser Frage, die ihr nicht zusteht zu beantworten. Mit den Erinnerungen, welche Bedeutung Angelas Vater für sie hatte, taucht sie mit ihren Erzählungen in die Vergangenheit ein.

Elizabeth Gilbert ist es gelungen, eine für mich durchweg unsympathisch bleibende und die durch Überheblichkeit, Arroganz und naiver Einfältigkeit sich auszeichnende Hauptfigur Vivian durch das glamouröse und schillernde New York der Vierziger Jahre zu führen. Die völlig verwöhnte und dennoch gefühlsmäßig unterkühlt erzogene 19-jährige wird von ihren Eltern, nachdem sie vom College geflogen ist, nach New York zu ihrer Tante Peg geschickt. Sie hat eine Theaterkompanie mit eigenem Haus, dem „Lily Playhouse“ in New York, das nicht zu den angesagten Häusern am Broadway gehört und dessen Revues nur zur Unterhaltung dienen und nicht zum intellektuellen Anreiz. Um die Kosten überhaupt tragen zu können, wird das Gebäude tagsüber auch für andere Veranstaltungen untervermietet. Obwohl das Theaterensemble finanziell immer am Abgrund steht und das Theatergebäude ziemlich marode ist, taucht Vivian in eine für sie völlig neue, schillernde und bizarre Welt des glamourösen New Yorks ein, in der jede Nacht zum rauschenden Tag gemacht wird. Während für Tante Peg, die sich gerne ihre Welt schön trinkt und für die das Glas folgerichtig immer halb voll ist, versucht ihre beste Freundin (und heimliche Geliebte) Olive als kaufmännische Leiterin, Sekretärin und Mädchen für alles das Theater auf einigermaßen festen Boden zu stellen, was alles andere als einfach ist. Da Vivian eine Nähmaschine besitzt, ist sie fortan für die Kostüme der Schauspielerinnen des Theaterensembles von Tante Peg zuständig. Dabei beschreibt die in der Ich-Form erzählende Vivian in einem fortwährenden überheblichen Eigenlob ihre nicht zu übertreffenden, irrsinnig einfallsreichen Nähkünste und verliert damit jede Sympathie bei mir.

Neben den dominierenden, ausufernden Erklärungen der meisterhaften Nähraffinessen, in der Vivian nicht müde wird, auch die kleinste Goldkante, Modeströmungen der Kriegs- und Nachkriegszeit detailliert zu beschreiben, werden genauso überbordend die exzessiven, berauschenden Nächte mit ständig sich wechselnden Männern erzählt, die auf mich irgendwann durch die ständigen Wiederholungen ermüdend und überdrüssig wirkten und beides sich bis zum Ende des Buches – neben der sich ebenfalls bis zum Schluss narzisstischen Vivian – als roter Faden hindurchzieht.

Ich hatte während des Lesens immer wieder den Wunsch, das Buch aus der Hand zu legen und auch da zu lassen, da Vivian und die Handlung chronisch mit einem „touch too much“ mich nervten, doch ich wollte wissen, ob und inwiefern sich diese Figur entwickelt.

Egal, ob es der folgenreiche, drastische persönliche Fehltritt von Vivan war, die rettende Idee von Pegs getrennt lebenden Ehemann mit seinem selbst geschriebenen Musical „City of Girls“ und der durch die Kriegssituation in New York festgesetzten, wunderschönen wie brillanten Schauspielerin Edna Parker Watson das kurz vor dem Ruin stehende Theaterhaus zu retten oder die spätere Beziehung zu Angelas Vater: Alles wirkt zwar besonders und bizarr, genauso aber auch aufgesetzt und konstruiert. Die für mich einzige wirklich schräg-humorvolle Szene ist die Entjungferung Vivians`s durch Dr. Kellogg. Ansonsten wirkt Humor und Witz recht gewollt und aufgesetzt.

Nach dem Krieg hat Tante Pegs Theater keine Überlebenschance mehr und wird abgerissen. Vivian ist somit ohne Job und Existenzgrundlage, hat aber wieder sehr viel Glück und findet in der deutlich jüngeren aber zur besten Freundin entwickelten Marjorie Lowtsky, bei der sie schon vor dem Krieg hochwertige Stoffreste zum kleinen Preis erstanden hat, eine Geldgeberin und Partnerin für ein gemeinsames exklusives Schneideratelier für Brautkleider. Während dieser Zeit lernt sie auch Angelas Vater kennen, mit dem sie eine ganz besondere Beziehung hat, womit sich der Kreis zum Beginn des Buches wieder schließt.

Erst auf den letzten 50 Seiten zeigt sich dann doch noch Vivians`s zarte Entwicklungsfähigkeit aus arroganter Überheblichkeit zur ernsthaften Reflexion, auf die ich über dreihundert Seiten gewartet habe, aber da ist sie auch schon eine über 80 Jahre alte Dame und ihr bleibt auf so wenig Seiten auch nicht mehr Möglichkeit.

Auch wenn dieser Roman auf der New York Times-Bestseller-Liste gestanden hat und dort wie auch bei uns begeisterte Kritiken erhalten hat, war ich sehr enttäuscht von diesem Buch. Wo die Washington Post in der Geschichte von Elizabeth Gilbert ein „Funkeln wie Diamanten im Champagner“ sieht, kann ich nur ein übertriebenes, hyperaktives Geschwurbele über eine arrogante und selbst überschätzte Frau erkennen, in dem ihr bizarres Leben und Freundschaften in das New York der 40er Jahre gefällig eingebettet werden – und deren aufregendes Leben man schon vergessen hat, kaum hat man das Buch aus der Hand gelegt. Das einzige Funkeln in dieser Geschichte geht von Tante Peg und Olive aus. Von ihnen (und ihrer heimlichen Liebesbeziehung) geht, so unterschiedlich beide sind, ein unglaublich positives Charisma und eine Ausstrahlung aus, von dem ich Vivian wenigstens ein bisschen gewünscht hätte.

Vielleicht liegt es ja daran, dass die Modeströmungen der 40er und 50er Jahre, der New Look, Seide und Tüll und Dior so ganz an mir vorbeigehen, dass ich im „Winkitsch“, pardon, Vintage dieser Seiten kein Funkeln erkennen kann.

Das amerikanische Original-Cover passt thematisch besser und ist gefälliger als das der deutschen Ausgabe.

Sabine Wagner

 

 

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