So wie Du mich kennst

Anika Landsteiner

352 Seiten, € 16,99

Fischer Krüger, April 2021

 

 

 

 

Mit „So wie du mich kennst“ hat die junge Autorin Anika Landsteiner, geboren 1987, ein packendes Porträt über zwei Schwestern und deren Familie geschrieben.

Karla, Anfang dreißig kehrt mit einer Urne, darin die Asche ihrer nur wenig jüngeren Schwester Marie, die bei einem Unfall ums Leben kam, aus New York nach Unterfranken zurück. Karla ist in einem kleinen ländlichen Städtchen in Unterfranken nahe Würzburg geblieben und arbeitet dort als Lokalredakteurin bei der Stadtzeitung, während Marie als Fotografin immer extrovertierter, mutiger gewesen ist. Nachdem sie auf ihrer Ausstellung von einem gutaussehenden, charmanten jungen Amerikaner angesprochen wird, ist es Liebe auf den ersten Blick und sie folgt ihm nach Boston. Als nach wenigen Jahren die Scheidung folgt, zieht sie nach New York, um dort mit ihrem guten Ruf als hervorragende Fotografin ihr berufliches und privates Leben noch einmal neu auszurichten. Karla besucht ihre Schwester zweimal im Jahr in New York und sie tauschen fast täglich kurze Nachrichten miteinander aus. Obwohl sich die beiden Schwestern ihrer großen Unterschiede in Persönlichkeit und Lebenswege bewusst sind, stehen sie sich sehr nah und glauben, alles von der anderen zu wissen. Als Karla nach der Beerdigung noch einmal nach New York zurückkehrt, um Maries Wohnung aufzulösen und sich um andere Formalitäten zu kümmern, macht sie eine verstörende Entdeckung, die alles, was sie bisher von ihrer Schwester wusste oder glaubte zu wissen, in einem völlig neuen Blick erscheinen lässt.

Mit einem sicheren und intensiven Blick über Familienbeziehungen, in denen wichtige Themen unausgesprochen bleiben wie auch Beziehungen zu Lebenspartnern, bettet die Autorin ein fesselndes Geschwisterporträt ein. In abwechselnden Kapiteln lässt sie Marie und Karla jeweils aus ihrer Perspektive erzählen und fügt so wie in einem Puzzle raffiniert die Entwicklungsgeschichte der beiden Schwestern mit allen Ecken und Kanten zu einem großen Ganzen zusammen. Karla, die ihr Leben im unaufgeregten, beschaulichen Unterfranken liebt, ist hin- und hergerissen, ob die Trennung von ihrer großen Liebe Max die richtige Entscheidung war. Mit Marie taucht man in das schrill-laute und bunte New York ein. Anika Landsteiner arbeitet mit Tiefe und Empathie die Charaktere und Leben der beiden Frauen aus, beschreibt aber auch intensiv, wie unterschiedlich Karla und ihre Familie mit ihrer Trauer um Marie umgehen. Mich hat die Umsetzung der Frage beim Lesen in den Bann gezogen, wie viel man wirklich von einem Menschen, mit dem man aufgewachsen ist und glaubt, diesen in- und auswendig zu kennen und was davon bleibt, wenn die Lebenswege sich völlig mit großer räumlicher Distanz unterschiedlich entwickeln. Dahinter liegt ein spannendes Familiengefüge, das die Schwestern geprägt hat und ihre Entwicklung beeinflusst.

Ein hochspannender und intensiver Roman über zwei Schwestern und ihre unterschiedlichen Lebenswege sowie einer Neuausrichtung des Lebens nach der Erkenntnis, dass unausgesprochenes eine Last ist und eine freie Weiterentwicklung behindert.

Das Cover ist außergewöhnlich und passt.

Sabine Wagner

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