Heinrich Breloer
DVA Sachbuch, ET 02.10.2024
464 Seiten, € 26,00
Heinrich Breloer, Jahrgang 1942, ist ein vielfach ausgezeichneter Film- und Fernsehautor und hat sich insbesondere mit dem verfilmten Dreiteiler der Familiengeschichte „Die Manns“, sowie mit seinen Büchern über diese besondere Familie und zahlreichen Gesprächen, Interviews mit Familienmitgliedern, Nachkommen, Freunden und Weggefährten der Manns einen bekannten Namen gemacht. Heinrich Breloer gehört damit zu einem der profundesten Kenner der Familie Mann und ihrer Zeitgeschichte.
Zum 150. Geburtstag von Thomas Mann sind in diesem Jahr weitere Bücher über den Schriftsteller und seine Familie erschienen. 2024 erschien das vorliegende Buch über das Leben des jungen Thomas Mann und seinen Weg zum weltbekannten Schriftsteller.
Heinrich Breloer ist eine umfangreiche und spannend zu lesende Chronik der Familiengeschichte des jungen Thomas Mann gelungen, die 1891 mit dem Tod seines Vaters Senator Heinrich Mann Senior in Lübeck beginnt. In seinem Testament hat der Vater konkrete und enge Verfügungen erteilt, die die finanzielle und berufliche Zukunft seiner Hinterbliebenen vor Herausforderungen stellt. Eine seiner Verfügungen ist, dass die großzügige Familienvilla innerhalb eines Jahres verkauft werden muss. Julia, die Witwe, zieht nach München, da die Familie in Lübeck nach dem Tod des Senators als „zerrottet“ gilt. Mit seinem Jugendfreud Otto versucht Tommy mit dem wissenschaftlichen Werk „Psychopathia sexualis“ von Dr. Richard von Krafft-Ebbing, Professor für Psychiatrie und Nervenkrankheiten, Licht in das Dunkel seiner verborgenen und verbotenen homosexuellen Gefühle zu bringen.
In München feiert Thomas Mann seine ersten schriftstellerischen Erfolge, benötigt aber um gesellschaftlich angesehen zu werden, eine entsprechende Ehefrau aus gutem Hause. Bilderreich und faszinierend beschreibt Heinrich Breloer das gesellschaftliche Leben Anfang des 19. Jahrhunderts, in dem Thomas Mann mit viel Mühe und Ringen um Katia Pringsheim, die aus einer jüdisch-großbürgerlichen Familie stammt, wirbt. Für Thomas Mann ist klar, es kann für ihn nur diese eine Frau für eine gemeinsame Zukunft geben, was Katia allerdings mit Distanz und Widerwillen beantwortet. Bei seiner nicht müde werdenden Werbung balanciert Thomas Mann immer auf dem schmalen Grat, seine homosexuellen Gefühle nicht zu verraten, aber dennoch Katia gegenüber vorsichtig eine Andersartigkeit zu beschreiben. Eine Offenlegung seiner Homosexualität würde ein gesellschaftliches Aus, sowie das Ende der gerade begonnenen Karriere bedeuten.
Mit historisch belegten Tatsachen und fiktiver Erzählung berichtet Heinrich Breloer umfangreich von der nicht einfachen Verbindung der Familien Mann und Pringsheim unter den verschiedenen familiären Hintergründen. Obwohl Thomas Mann und seine Katia sechs gemeinsame Kinder bekommen, unterdrückt Tommy sein Leben lang seine Homosexualität und auch pädophile Neigung, die er nur in der Literatur auslebt, auch hier immer mit der Angst, dass er sich offenlegt. Dass er für seine Geschichten reale Personen zwar verändert, dennoch wiedererkennbar benutzt, führt immer wieder zu harten Auseinandersetzungen mit Familie und Freunden.
Mit „Ein tadelloses Glück“ blättert Heinrich Breloer ein opulentes, spannendes Stück Familiengeschichte und historischen Abschnitt um den jungen Thomas Mann auf. Tommy, der am Anfang seiner Karriere steht, hätte diese ohne eine Frau wie Katia, die ihn sich lange nicht als ihren Ehemann vorstellen konnte, nie erreicht. Trotz allem schriftstellerischen Ruhm und gesellschaftlichen Ansehen hatte sein Erfolg den hohen Preis, ein Leben lang nicht seine wahre sexuellen Gefühle ausleben zu können.
Das Cover ist recht allgemein, trifft den historischen Zeitgeist und bleibt Geschmacksacke.
Sabine Wagner