Schattengrünes Tal

Kristina Hauff

hanserblau, ET 22.07.2025

304 Seiten, € 24,00

 

 

 

 

 

Die kleine beschauliche Stadt Herzogsbronn im Schwarzwald ist Anziehungspunkt für Erholungsuchende und Wanderer. Lisas Vater, Carl Scherf, der Mitte siebzig ist,  führt hier seit vielen Jahrzehnten das Hotel „Zum alten Forsthaus“, das, wie sein Inhaber beträchtlich in die Jahre gekommen ist. Unterstützt wird der launige und eigensinnige Carl dabei von Margret, die nicht nur seine rechte und linke Hand ist, sondern im Laufe der Zeit seine heimliche Lebensgefährtin wurde, während Carls Frau Rose mit Demenz im Pflegeheim betreut wird.
Lisa arbeitet im örtlichen Tourismusbüro und macht die Buchhaltung des Hotels. Obendrein hilft sie, wann immer es nötig ist – und das ist es sehr oft – im Hotel aus und hofft seit Jahren, dass ihr Vater ihr endlich die Leitung des Hotels übergibt, das dringend an vielen Stellen Neuerungen bedarf. Zum Ausgleich singt Lisa im Chor und kümmert sich um ihre alleinerziehende Freundin Johanna, die mit ihren beiden pubertierenden Söhnen, pflegebedürftigen Vater und mehreren Jobs oft überfordert ist. Da bleibt für Lisa nicht viel Zeit für ihren Mann Simon, der als Revierförster arbeitet und sich engagiert um den Waldschutz und dem beeinflussenden Klimawandel mit zahlreichen invasiven Zerstörungen kümmert. Gerade hat er festgestellt, dass ein Schakal in seinem Revier aufgetaucht ist und befürchtet, dass dieses im Schwarzwald ungewöhnliche Tier eine Bedrohung für andere Tiere werden könnte. Zwischen Lisa und Simon hat sich ein immer sprachlos werdender Alltag eingeschlichen, der sich besonders bei Simon bemerkbar macht, seitdem die fast erwachsene Tochter Emilia zum Auslandsjahr in Kanada weilt.

In diese Beschaulichkeit mit unterschwelligem Rumoren taucht auf einmal im „Zum alten Forsthaus“ Daniela Arnold auf, die als einziger Gast das Hotel nicht verlässt, selbst als die Heizung ausfällt. Mit raffinierter Ausgeklügeltheit zwischen introvertiertem Charme und distanzloser, extrovertierter Direktheit schleicht sich Daniela als hilflose, alleinstehende und Zuwendung suchende Frau mit Mitte Vierzig in das Leben der Kleinstadt Herzogsbronn ein. Lisa erkennt sofort, dass Daniela Hilfe und Unterstützung benötigt und führt sie in den Chor ein, sucht für sie eine eigene Wohnung, die sie von ihrer besten Freundin Johanna erhofft, da ihr Vater gerade einen Platz im betreuten Wohnen gefunden hat. Daniela hat allerdings ganz eigene Gründe, warum sie plötzlich in diesem Kleinod im Schwarzwald auftaucht. Ihre Intrigen gegen die Leute, die ihr helfen wollen, fädelt sie geschickt ein und es braucht seine Zeit, bevor Lisa, Johanna, Carl und Simon erkennen, wie intensiv Daniela es bereits gelungen ist, in ihr Leben einzudringen, es verändert hat und systematisch zerstören will.

Kristina Hauff ist es wie in ihren beiden Romanen „Unter Wasser Nacht“ und „In blaukalter Tiefe“ einmal mehr grandios gelungen, in einem psychologischen Kammerspiel krankhafte Abgründe in Verbindung von Fassaden, Unausgesprochenem, Lebenslügen und Begehren in einer klaren, schnörkellosen Sprache zu präsentieren. Sie zeigt mit ihren tiefgründig ausgearbeiteten Figuren, wie fragil Beziehungen wie Freundschaften oder Ehe trotz dem Bedürfnis nach Harmonie sind, wenn sie nicht besprochene und bearbeitete Risse haben. Einer einzigen Person mit sicher krankhaftem Ziel gelingt es mit einer toxischen Dynamik, die Beziehung zwischen Vater und Tochter, zwischen Eheleuten, besten Freundinnen und zwischen Mann und nicht anerkannter Lebenspartnerin und unverzichtbarer Mitarbeiterin zu zerstören. Das dies letztlich haarscharf nicht passiert, gelingt den Figuren durch Selbstreflexion und offene Gespräche klug und nachvollziehend.
Klischeefrei beschreibt Kristina Hauff das Leben einer konservativen Kleinstadt im Schwarzwald und atmosphärisch die wunderbare Natur, in der sich wie im Leben der Protagonisten Risse durch Bedrohung von außen auftun.

Ein fesselndes, hochspannendes psychologisches Kammerspiel über sprachlose zwischenmenschliche Beziehungen, Harmoniesehnsucht, bei der man eigene Bedürfnisse zurückstellt und krankhafte Abgründe einer alles zerstörenden Person.

Das Cover hat sicher ein dem Fisch- oder Graureiher (o.ä.) zugewandter Mitarbeiter*in ausgesucht, der oder die sicher nicht diesen Roman gelesen hat. Obwohl dieser Vogel bereits für „Unter Wasser Nacht“ stimmig gewählt wurde, passt dieses Tier hier so gar nicht zur Geschichte. (Schade, da hätte ich dem Verlag mehr Aufmerksamkeit gewünscht.)

Sabine Wagner

 

 

 

 

 

Dieser Beitrag wurde unter 5 Bücher, Autoren, Autoren F - K, Bestenliste veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Kommentare sind geschlossen.