Die „Lesezeichen“ auf der Frankfurter Buchmesse

 

"Lesezeichen" vor dem Open Space (c) Sabine Hoß

"Lesezeichen" vor dem Open Space (c) Sabine Hoß

Alles begann mit dem Besuch des Jurymitglieds des Deutschen Jugendliteraturpreises Ulf Cronenberg bei dem Würzburger Jugendleseclub „Lesezeichen“ . Nachdem er viele Fragen rund um die Arbeiten der Jury und des Preises beantwortet hatte, kam bei den Jugendlichen der Wunsch auf, auch einmal die Frankfurter Buchmesse und die Veranstaltung der Verleihung des Jugendliteraturpreises zu besuchen. Also machten sich die großen „Lesezeichen“, die Buchhändlerin Britta Kiersch vom „Neuen Weg“ und meiner einer an die Organisation.

Am Freitag, 14. Oktober 2011 ging es dann mit dem Zug, 13 Mädchen und Jungen im
Alter zwischen 11 und 16 Jahren nach Frankfurt. Nachdem der erste Schock bei den „Lesezeichen“ über die Größe des Messegeländes und den Menschenmassen verdaut war, weihten wir sie in die Hallennavigation ein und einigten uns auf den festen Treffpunkt im Zwischengeschoss der Hallen 3.0 und 3.1. Bevor wir sie in kleinen Gruppen in die große, weite Hallenwelt entließen, führten wir sie als Leittiere in den Bereich mit den meisten Kinder- und Jugendbuchverlagen, während uns die Jugendlichen im braven Gänsemarsch folgten. Die Artdirectorin des Arena Verlages lief uns über den Weg, schaute etwas irritiert über ihren Brillenrand hinweg auf die disziplinierte Reihe und meinte mitleidig zu uns: „Müsst ihr jetzt den ganzen Tag so zusammenbleiben?“

Als wir uns das erste Mal im Zwischengeschoss wieder trafen, zeigten einige „Lesezeichen“ stolz ihre Errungenschaften. Nein, keine Bücher. Aber Tüten, Taschen in verschiedenen Größen und Materialien; aus Leinen, Plastik und Papier. Ein weibliches „Lesezeichen“ war besonders erfolgreich, denn ihre riesige, gelbe Leinentasche, mit einem großen, blauen „L“ bedruckt, war prall gefüllt mit Prospekten, Zeitschriften, Leseproben, Lesezeichen, Stiften, Gummibärchen und was sonst noch irgendwie zwischen Buch und Deckel passt. Das weckte natürlich die Jagdlust der noch nicht tütenbepackten Jugendlichen und stellte mir die Frage, ob nicht die halbe Stand-Deko in diese Tasche gelandet war. Doch keine Angst – nicht ein einziges Buch fand sich in dieser und später in allen anderen Tüten. 😉

Während die beiden Erwachsenen zwischendurch leichte Orientierungsschwierigkeiten
hatten, sich dank Handy wiederfanden und gemeinsam den sicheren Rückweg zum Treffpunkt meisterten, fanden die Jugendlichen „Lesezeichen“ mit schlafwandlerischer Sicherheit die Wege durch alle Hallen quer über das Messegelände. Doch was fanden wir bei unserem zweiten Treffen? Wieso zogen unsere jungen Leser nun überdimensionale
Weinkisten auf Trolleys hinter sich her – und wie konnte es sein, dass die Jugendliche überhaupt Weinkartons auf Räder in die Hände gedrückt bekommen, auf einer Buchmesse? Und wieso türkischer Wein, stand doch groß „Istanbul“ auf den Kartons und nicht „Island“, das diesjährige Gastland der Frankfurter Buchmesse? Fragen über Fragen. Souverän und locker klärten uns die jungen Leser auf, dass dies kein überdimensionierter Weintransporter sei, sondern nur der Transportkarton auf Rädern für all die gesammelten Tüten, Taschen und Täschchen. Gesponsert wurde dieses nützliche Beförderungsmittel von dem ehemaligen Gastland Türkei. Die „Lesezeichen“ mussten sich von mir allerlei spöttische Bemerkungen gefallen lassen, die aber sofort verstummten, als mir eine weibliche Karton-Trolley-Besitzerin ihr Schmankerl aus diesem präsentierte: Handcreme (!) aus Island. Plötzlich war ich nicht mehr sicher, ob ich wirklich auf einer Buchmesse oder auf einer internationalen Leistungsschau diverser Kleinartikel und Verpackungsmöglichkeiten war. Machte sich auch hier eine Veränderung in der Buch- und Verlagslandschaft bemerkbar? Nicht das digitale Gespenst gilt zu befürchten, sondern vielmehr das sogenannte“Nonbook“ in verschiedenster Form. Jedenfalls ist jedes Jahr immer wieder ab Donnerstag zunehmend eine Taschen- und Täschchenflut in Händen jeder Altersstufe und Geschlecht festzustellen. Während sogenannte Fachbesucher froh sind, so wenig wie möglich auf einem langen Messetag mit sich herumzuschleppen, ist die Begeisterung und Jagdlust bei allen anderen unheimlich ausgeprägt, so viel wie möglich von allem (außer Büchern) kostenfrei zu ergattern. Wie dem auch sei, die „Lesezeichen“ gingen weiter leidenschaftlich auf Taschensuche. An dieser Stelle sollte auch das meistbegehrteste Stück genannt werden: Eine Tütentasche von „Grohe“ mit bunten Herzen drauf.

(c) Sabine Hoß

Tüten und Taschen (c) Sabine Hoß

Doch es gab natürlich auch noch andere, wirklich sehr schöne Höhepunkte auf der Buch-Messe: Der Besuch beim Gerstenberg Verlag und ausführlichem Austausch mit Tobias Scheffel, der kurze Zeit später den Sonderpreis für das Gesamtwerk als Übersetzer erhielt.

Im Gespräch mit dem Übersetzer Tobias Scheffel (c) Sabine Hoß

Im Gespräch mit dem Übersetzer Tobias Scheffel (c) Sabine Hoß

Ein weiteres informatives Gespräch ergab sich bei cbj/cbt mit der Pressesprecherin Dr. Renate Grubert und der Autorin Anika Beer.

Gespräch bei cbj / cbt (c) Sabine Hoß

Gespräch bei cbj / cbt (c) Sabine Hoß

Der erste Messebesuch wurde für den Jugendleseclub mit der beeindruckenden und spannenden Preisverleihung des Deutschen Jugendliteraturpreises abgerundet. Nach der Veranstaltung waren die Jugendlichen so begeistert, dass sie sich nun auch einmal in die Jugendjury bewerben wollen.

Nach einem langen, aufregenden Tag auf der Frankfurter Buchmesse zogen die „Lesezeichen“ mit schwerem Gepäck Richtung Bahnhof zum Heimweg. Der Messebesuch hat bleibende Spuren hinterlassen mit dem Wunsch, nächstes Jahr wieder einen Tag in der großen, internationalen Bücherwelt verbringen zu dürfen. Wegen der Vielzahl der neuen Bücher, dem direkten Kontakt und interessanten Gesprächen mit Verlagen, Autoren und Übersetzern – und den vielen schönen Taschen. 😉

Für die großzügige Unterstützung möchten wir uns ganz herzlich bei den Verlagen Arena, Carlsen, cbj/cbt und Sauerländer und dem Buchladen „Neuer Weg“ bedanken!

Sabine Hoß

 

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