Interview mit Benny Lindelauf

Benny Lindelauf (Foto (c) Else Loof)

Benny Lindelauf (Foto (c) Else Loof)

Benny Lindelauf, 1964 in der Provinz Limburg geboren und in Rotterdam lebend, liebt seit seiner Kindheit Geschichten. Damals hat er sich von seiner Oma Geschichten erzählen lassen. Heute schreibt er selber und gibt Kurse für Menschen, die auch schreiben wollen. Der erste Teil der Familiensaga der Familie Boon, „Das Gegenteil von Sorgen“, die im belgischen Limburg, nahe der deutschen Grenze lebt, erschien 2007 bei Bloomsbury und wurde für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2008 nominiert.

Für den zweiten Teil, der im Februar ebenfalls bei Bloomsbury erschien, erhielt Benny Lindelauf 2011 den Woutertje Pieterse Prijs und den Dioraphte Jongerenliteratur Prijs.

In den Niederlanden gehört Benny Lindelauf neben Guus Kuijer zu einem der größten Schriftsteller in der Kinder- und Jugendliteratur.

Für „Bücher leben!“ nahm sich der Autor Zeit für ein Mail-Interview:

Mit „Das Gegenteil von Sorgen“ sind Sie in Deutschland sofort bekannt geworden. Wolltest Du schon immer Schriftsteller werden oder hat sich dieser Beruf eher zufällig entwickelt?

Benny Lindelauf:

Ja, ich glaube, daß ich immer schon Schriftsteller werden wollte. Aber es hat eine Weile gedauert, bis ich es geworden bin. Ich habe Sozialarbeiten studiert, war Tänzer und Lehrer für Tanz. Aber beim jedem Beruf dachte ich: ist es das, was ich am allerliebsten tun würde? Eines Tages habe ich mich entschlossen: Wenn ich Schriftsteller werden möchte, dann sollte ich eben mal versuchen ob es mir gelingt ein Buch zu schreiben. Ich habe verschiedene Workshops besucht. Und es war, als ob ich nach Hause kam…

Du sagst, dass Du es schon seit Deiner Kindheit geliebt hast, Geschichten zuzuhören.

Ist es daher eine logische Entwicklung, dass Du heute selber Geschichten schreibst – und was bedeutet „das Schreiben“ für Dich?

Benny Lindelauf:

Aber sicher! Meine Ohren lieben Geschichten, und meine Großmutter war eine Erzählerin ohne Ende. Jeder Schriftsteller braucht so eine Quelle, (oder mehrere Quellen) und ich bin froh, dass früh in meinem Leben mein Hang nach Geschichten erfüllt wurde. Aber Durst habe ich immer noch…

Was Schreiben für mich bedeutet? Oi! Ich glaube, ich würde hunderten Seiten brauchen und dann würde die Antwort noch immer nicht komplett sein. Ein Creative Writing-Lehrer hat einmal die Frage „Warum schreiben Sie?“  mit: „Warum atmen Sie?’ beantwortet.

Eine etwas konkretere Antwort: Ich wundere mich oft über das Leben anderer Menschen: Was machen sie, warum leben sie ihr Leben auf diese Art? Schreiben gibt die Möglichkeit mehrere Leben zu leben.

Der erste Teil der Familiengeschichte der Boons spielt 1937, der zweite setzt 1938 an. Was fasziniert Dich gerade an diesem historischen Zeitabschnitt?

Benny Lindelauf:

Es war eine Zeit, die viele Ähnlichkeiten hat mit unserer jetzigen Zeit. 1933 war der ganz große Krach und es war der Anfang von großen, weltweiten Veränderungen. Fast die ganze Welt brannte. Es interessierte mich, wie eine kleine Stadt und eine Familie diese große Veränderungen erleben würde.

Die Charaktere sind so liebevoll wie skurril und passen genau in diese Zeit und Gegend. Wie kommt man auf so einzigartige, teil kauzige Protagonisten?

Benny Lindelauf:

Das weiss ich nicht genau. Ich liebe Bücher mit Protagonisten, die lebendig sind, nicht eindeutig, die mich überraschen. Lebensechte Protagonisten sind nicht schwarz oder weiß, haben aber Zwischenfarben. Und sind etwas größer als normal. Zum Beispiel: Gabriel Garcia Marquez, Ann Tyler. Diese Autoren haben mich, glaube ich, inspiriert.

Die Geschichte spielt in der Provinz Limburg, dem südlichsten Teil der Niederlande und sehr nahe an Aachen, meiner Heimat.

Hattest Du wegen dieser geographischen Besonderheit keine Bedenken, dass die Geschichte vielleicht nur einen kleinen Teil von Lesern interessiert, vielleicht nur die, die auch im näheren Grenzgebiet wohnen?

(Der Erfolg von „Das Gegenteil von Sorgen“ zeigt glücklicherweise das Gegenteil! 🙂 )

Benny Lindelauf:

Nein. Ich wollte diese Geschichte unbedingt schreiben. Und wer kann sagen, welche Geschichten ein großes Publikum finden? Und ist es wichtig? Vielleicht im wirtschaftlichen Sinn, es wäre schön, wenn ich Millionär werden würde. 🙂 Aber am Ende ist es nur wichtig, ob die Geschichte Leser findet, die in die Protagonisten eintauchen können und in die Geschichte selbst. Die Leser sind dann wie ich auch ein Leser bin: Mit roten Ohren und alles vergessend.

Damals gab es, nicht nur wegen der Nazi-Diktatur und Judenverfolgung, große Ressentiments zwischen Niederländer und Deutschen, die sich bis in die siebziger Jahre gezogen haben.

Hast Du das Gefühl, dass sich diese Abneigung im Laufe der nachfolgenden Generationen mittlerweile „herausgewachsen“ hat?

Benny Lindelauf:

Ich glaube, daß dieses Gefühl mehr Holländisch war, als Niederländisch. Damit meine ich, dass ich glaube, daß in Limburg, im Süden dieses Gefühl weniger anwesend war. Limburg hat sich langer Zeit mehr mit Deutschland oder Belgien verwandt gefühlt als mit Holland. Das ist Teil der Geschichte.

Heutzutage gibt es noch immer Vorurteile, aber die sind nicht anders als andere Vorurteile auch. Also ganz herausgewachsen, nein, aber ein großer Teil schon.

Auf wie viele Fortsetzungen der Boon`schen Familiensaga können die Leser sich noch freuen?

Benny Lindelauf:

Keine. Es ist Zeit für etwas neues!

Bleibst Du danach dem historischen Genre treu oder wird es ein Buch aus einem ganz anderen Bereich geben?

Benny Lindelauf:

Ich schreibe ganz verschiedene Bücher, aber die sind leider noch nicht auf Deutsch zu bekommen.

Du gibst Kurse für Menschen, die auch gerne schreiben wollen.

Mit welchen drei größten Problemen hemmen sich die meisten Menschen beim kreativen, freien Schreiben?

Benny Lindelauf:

1. Sie haben Angst, daß sie nichts zu erzählen haben.

2. Sie denken, daß man an der Universität Holländisch studiert haben muss ehe man schreiben darf, am liebsten mit vielen komplizierten Wörtern.

3. Sie denken, daß ein Schriftsteller alles auf einmal schreibt und die Geschichte dann schon fertig ist.

Und zum Schluss auch für Dich meine berühmten drei letzten Fragen:

Wann schreibst Du? (Morgens, mittags, abends, immer)

Benny Lindelauf:

Alle Zeiten, immer abwechselnd.

Wie schreibst Du? (Laptop, per Hand, PC)

Benny Lindelauf:

Am liebsten auf dem Laptop, weil das bedeutet, daß ich unterwegs bin. Ich liebe reisen und schreiben zur gleichen Zeit.

Wo schreibst Du? (Arbeitszimmer, Küchentisch, überall)

Benny Lindelauf:

Überall

 
Ich danke Dir herzlich für Deine Zeit und Antworten – und wünsche Dir für alle weiteren Bücher und Projekte ganz viel Erfolg! 🙂

Sabine Hoß

Anmerkung der Fragestellerin: Benny Lindelauf war so nett und hat meine Fragen direkt auf Deutsch beantwortet und mir so eine Übersetzung erspart. Hartelijk dank!

 

 

 

 

 

 

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