Interview mit Martina Wildner

Martina Wildner (c) privat

Martina Wildner (c) privat

 

Martina Wildner ist am 11.09.1968 in Obergünzburg geboren und lebt seit 2003 mit ihrer Familie in Berlin. Von 1987 bis 1988 machte sie ein Praktikumsjahr bei verschiedenen Bildhauern bevor sie sich zum Studium der Islamwissenschaften an der Uni Erlangen bis zur Zwischenprüfung einschrieb. 1989 bis 1990 folgte ein Studienaufenthalt und ein Praktikum in Damaskus, Syrien. Von 1991 bis 1996 studierte Martina Wildner dann an der FH Nürnberg Grafik-Design, mit Schwerpunkt Illustration, das sie 1996 mit Diplom abschloss. Ab 1997 arbeitete sie als freie Schriftstellerin und Illustratorin.

Bevor Martina Wildner mit ihrem Buch „Das schaurige Haus“ (Beltz &/ Gelberg, 2011) auf die Nominierungsliste des Deutschen Jugendliteraturpreises kam, hat sie bereits erfolgreiche Kinder- und Jugendbücher veröffentlicht, unter anderem „Jede Menge Sternschnuppen“ (Beltz & Gelberg 2003/2009), erhielt 2003 den „Peter-Härtling-Preis“, „Murus“ (Bloomsbury, 2008) und „SIX“ (Beltz & Gelberg, 2008).

„Bücher leben“ befragte die Autorin frisch nach Ihrer Nominierung in einem Mail-Interview:

Frau Wildner, Ihr Buch „Das schaurige Haus“ wurde gerade in Leipzig auf die Nominierungsliste zum Deutschen Jugendliteraturpreis gesetzt. Können Sie sich noch an Ihren ersten Gedanken, an ihre erste Reaktion nach der Bekanntgabe erinnern?

Martina Wildner:

Das war kein besonders außergewöhnlicher Gedanke. Ich habe mich ganz einfach gefreut.

Was bedeutet für Sie persönlich diese Nominierung?

Martina Wildner:

Vor allem Bestätigung. Ich zweifle ja gern, oft und heftig.

Ist es ein besonderer Ansporn für weitere Bücher oder kann dieser Anspruch auch die Kreativität hemmen?

Martina Wildner:

Nein, das hemmt mich nicht. Ich brauche vielmehr die Bestätigung von außen. Im Winter war ich, was das Schreiben angeht, eher frustriert. Ich hoffe auf einen Motivationsschub durch die Nominierung.

In „Das schaurige Haus“ geht es unter anderem auch um Heimatgefühle und der Tatsache, dass man sich durchaus an einem neuen Wohnort, bedingt durch verschiedene Umstände aber auch durch einen völlig anderen Menschenschlag, nicht wohlfühlt.

Haben Sie selber schon einmal das Gefühl einer gewissen „Heimatlosigkeit“, wie aus dem Nest gekippt zu sein, an einem neuen Wohnort  gehabt?

Martina Wildner:

Ja, als Kind, mit sechs und komischerweise nur, weil ich von einer Kleinstadt mit 4000 Einwohnern in ein Dorf mit 800 Einwohnern gezogen bin. Beide Orte lagen nur 5 Kilometer voneinander entfernt – im Allgäu. Ein Mikroumzug also bloß. Aber ich fühlte mich sehr verloren.

Die Familie in diesem Buch kehrt wieder in ihre alte Heimat zurück. Es gibt Leute, die in ähnlichen Situationen behaupten, man sei nicht flexibel genug und eine Rückkehr wäre auch immer ein Schritt zurück.

Wie ist Ihre Meinung dazu?

Martina Wildner:

Man kehrt ja nie dorthin zurück, wo man hergekommen ist. Daher weiß ich gar nicht, ob „Zurückkehren“ überhaupt funktioniert. Allerdings war die Familie ja nicht so lange weg, nur ein dreiviertel Jahr. Innerhalb dieses Zeitraums kann man vielleicht gerade noch „zurückkehren“. Ich empfinde es nicht als einen Schritt zurück, wenn man erkennt, dass man mit einer Situation nicht gut zurechtkommt und die Konsequenz zieht, zurückzukehren, wenn es die Umstände zulassen. Es ist ehrlich und uneitel. Aber vielleicht auch enttäuschend.

Bevor Sie freie Schriftstellerin und Illustratorin wurden haben Sie sich für Bildhauerei interessiert und Islamwissenschaften studiert.

Wie ist dann der Bogen zur Illustratorin bzw. Schriftstellerin gekommen?

Martina Wildner:

Die Bildhauerei war Ausdruck meines künstlerischen Interesses, das zu Beginn sehr diffus war. Ich wäre keine gute Bildhauerin geworden, denn ich bin kein Handwerker, schwere Materialien überfordern mich rasch. Islamwissenschaften habe ich studiert, weil ich an der Bildhauerschule abgelehnt worden bin. Ich mochte Arabisch, aber ich fühlte mich an der Uni sehr verloren und konnte wenig mit so einem geisteswissenschaftlichen Studium anfangen. Ich habe das Studium aufgegeben, weil ich es noch einmal mit der Kunst probieren wollte. Also bewarb ich mich für einen Studienplatz für Grafik-Design und bekam ihn. So ein handfestes Studium an der FH fand ich gut. Innerhalb des Grafik-Design-Studiums habe ich mich rasch auf die Illustration verlegt und angefangen, die Texte, die ich illustrieren will, selber zu schreiben. Die Texte sind länger geworden und unabhängig von der Illustration. Ich habe also erst mit 24 „richtig“ zu schreiben begonnen.

„Das schaurige Haus“ wurde nicht von Ihnen illustriert. Warum?

Martina Wildner:

Ich dachte nie daran. Manchmal habe ich Bilder für ein Buch im Kopf, in „Das schaurige Haus“ ging es mir nur um den Text. Das Cover haben Anke Kuhl und Moni Port gemacht. Ich war froh, es nicht selber machen zu müssen. Cover können schwierig sein, weil sehr viele Leute mitreden.

Sie stehen ja nun auf der Nominierungsliste zum Deutschen Jugendliteraturpreis und können relativ entspannt sein. Trotzdem auch an Sie meine Frage, wie Sie die die aktuelle Wertschätzung dieses Preises sehen?

Martina Wildner:

Das ist ein sehr wichtiger Preis, der Wichtigste. Und was mich betrifft, kann der sich so ein Preis, falls ich ihn bekommen sollte, nur fördernd – z.B. verkaufsfördernd – auswirken. Viele meine Bücher verkaufen sich ja nicht gerade gut. Schade finde ich nur, dass den Preis zu selten deutschsprachige Autoren bekommen.

Halten Sie ihn vom Buchhandel und den Verlagen ausreichend präsentiert und gewürdigt?

Martina Wildner:

Ja, aber das kann ich nicht so gut beurteilen.

Wenn Sie eine Idee für ein Buch haben, entwickelt sich die Geschichte, die Figuren beim Schreiben oder haben Sie bereits vorher einen festen Rahmen für den Plot?

Martina Wildner:

Das meiste entwickelt sich beim Schreiben. Ich habe eine Idee und einen Helden, den Namen und sein Alter, was beim Kinder-und Jugendbuch wichtig ist. Die Familie bildet sich erst allmählich heraus, genau wie die Freunde, die Wohnung, das Zimmer, die Schule. Auch von der Handlung weiß ich nicht allzu viel vorher. Ich habe ein grobes Ziel, aber selbst das kann sich im Verlauf noch ändern. Die Methode ist sehr risikoreich, ich gehe oft Irrwege oder gerate in Sackgassen. Manche Projekte entgleiten völlig. Wenn ich auf den Schluss zusteuere, habe ich es oft sehr eilig. Ich muss das Ende oft ändern und aufpassen, dass es nicht zu plötzlich kommt.

Und auch für Sie meine letzten berühmten drei Fragen:

Wann schreiben Sie? (morgens, mittags, abends, immer)

Martina Wildner:

Von 9-15 Uhr, ganz einfach deswegen, weil meine Kinder da in Schule und Kindergarten sind. Am Abend bin ich zu müde. Nachts muss ich schlafen. In den Schulferien, auf Lesereisen und im Urlaub schreibe ich nicht.

Wie schreiben Sie? (Laptop, PC, per Hand)

Martina Wildner:

Erst mit der Hand, im weiteren Verlauf steige ich auf PC um.

Wo schreiben Sie? (Arbeitszimmer, Küchentisch, Baumhaus, überall)

Martina Wildner:

Mit der Hand oft im Bett, auch auf dem Sofa, im Park oder im Café. Kommt auf meine Laune an. Wenn ich am PC arbeite, sitze ich am Schreibtisch.

Liebe Frau Wildner, ich danke Ihnen sehr für Ihre Zeit und Antworten und wünsche Ihnen für Ihre weiteren Bücher und Projekte ganz viel Erfolg! 🙂

Sabine Hoß

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