Interview mit Ursula Poznanski

Ursula Poznanski (Foto (c) Doris Bretterbauer)

Ursula Poznanski (Foto (c) Doris Bretterbauer)

 

Ursula Poznanski wurde am 30. Oktober 1968 in Wien geboren. Nach dem Studium verschiedener Wissenschaften arbeitete sie als Medizinjournalistin. Nachdem sie nach der Geburt ihres Sohnes im Jahre 2000 an einem Drehbuchwettbewerb teilnahm, diesen nicht gewann, hatte sie trotzdem der Ehrgeiz gepackt und ihre Leidenschaft fürs Schreiben entdeckt. 2001 wurde dann im österreichischen Dachs-Verlag ihr erstes Manuskript „Buchstabendschungel“ angenommen, das dann 2003 erschien. Es folgten viele Kinderkrimis, Erstlesebücher und sogar ein Teenager-Liebesroman. Es sollte noch eine Weile dauern, bis „Erebos“ im deutschen Loewe-Verlag erschien – und auf Anhieb ein großer Erfolg wurde und verschiedene Preise erhielt, unter anderem  den Deutschen Jugendliteraturpreises 2011 der Jugendjury. Danach folgte der Jugendthriller „Saeculum“ (Loewe, 2012) und der erste Thriller für Erwachsene „Fünf“ (Wunderlich, 2012), der ebenfalls ein großer Erfolg ist.

Für „Bücher leben!“ nahm sich die charmante Wienerin zwischen vielen Terminen Zeit für ein Mail-Interview.

Sie verarbeiten in Ihren Büchern Trend-Themen, die sich trotzdem wohltuend aus dem Verlagsmainstream herausheben. In „Erebos“ geht es um die Sucht nach virtuellen Welten in PC-Spielen, bei der Fiktion und Realität verschwimmen; in dem Thriller „Saeculum“ um ein Live-Rollenspiel, das außer Kontrolle gerät, in dem Erwachsenen-Thriller „Fünf“ ist es Geocaching.

Frau Poznanski, haben Sie mit dem Thriller nun Ihr Genre gefunden (zumindest aktuell)?

Ursula Poznanski:

Im Moment fühle ich mich mit Thrillern sehr wohl. Eines der Dinge, die mich beim Schreiben und an Geschichten ganz allgemein fasziniert, ist das darin verborgene Geheimnis – und ein Geheimnis gibt es bei Krimis und Thrillern eigentlich immer.

Wie sind Sie auf das Thema Geocaching gekommen, sind Sie selber ein Cacher – und falls ja, welche Anziehungskraft steckt für Sie dahinter?

Ursula Poznanski:

Ja, ich gehe selbst auch geocachen, gemeinsam mit meinem Sohn, und ich kann es nur empfehlen. Erstens kommt man raus in die Natur und zweitens macht es richtig Spaß. Zumindest dann, wenn man eine verspielte Seite hat. Die Verstecke, die man finden muss, sind oft recht kniffelig – und wenn man dann, kurz vor dem Aufgeben, doch noch fündig wird, ist das ein richtiges Erfolgserlebnis.

Was fasziniert Sie so an den Einblicken der menschlichen Psyche und den dunklen Seiten der Menschen?

Ursula Poznanski:

Dass es die Seiten sind, die keiner von uns zeigt, jedenfalls nicht im Alltag – die aber trotzdem jeder hat. Das Fremde in einem selbst und in anderen ist einerseits faszinierend, andererseits angsteinflößend.

In Ihrem Thriller „Fünf“ schreiben Sie über die Ermittlerin Beatrice Kaspary, dass „sie im Team nicht denken kann. Das musste sie alleine tun, eventuell mit einem Zweiten. Alles, was darüber hinausging, empfand sie als störend.“ Sind auch Sie eher der einsame Wolf, der persönliche Probleme oder Dinge eher mit sich alleine ausmacht, bestenfalls eine Freundin/Freund zu Rate zieht?

Ursula Poznanski:

Ich kann alleine auch am besten denken, ja. Es gibt aber Ausnahmen, mit einer meiner Freundinnen zum Beispiel kann ich gemeinsam deutlich besser denken als allein. Woran das liegt, ist schwer zu sagen – vermutlich, dass wir in ähnliche Richtungen denken und die Ergebnisse sich toll ergänzen.

Ihr Thriller behandelt vielschichtig Leben, Tod und Schicksal. Haben Sie Angst vor dem Tod und inwiefern glauben Sie an ein vom Schicksal gelenktes Leben?

Ursula Poznanski:

Ich glaube, dass wir unser Leben sehr stark selbst formen – durch Entscheidungen, Abzweigungen, die wir nehmen und auch Dinge, die wir unterlassen. Und dann gibt es Dinge, die uns passieren, aber da habe ich dann mit dem Begriff „Schicksal“ ebensolche Probleme – mit dem Begriff „Zufall“.

Und was die Angst vor dem Tod betrifft – ja natürlich gibt es die, so wie bei jedem, aber nicht in extremem Ausmaß. „Tod“ ist auch nicht mein schriftstellerisches Lebensthema, auch wenn er in meinen Büchern eine Rolle spielt.

Gewisse Liedtexte und Melodien durchziehen „Fünf“ wie einen roten Faden. Wie wichtig ist für Sie Musik und was hören sie am liebsten? – Auch während des Schreibens, als Inspiration?

Ursula Poznanski:

Beim Schreiben ist Musik für mich der beste Weg, mich von der Außenwelt abzuschotten, und ich höre eigentlich nur Filmmusik. Sobald gesungen wird, egal in welcher Sprache, kann ich mich nicht mehr auf meine eigenen Worte konzentrieren. Aber ein Soundtrack, der möglichst auch noch der Atmosphäre der Szene entspricht, hilft mir sehr. Derzeit läuft beim Schreiben zum Beispiel oft „A Beatiful Mind“ oder „The Hours“.

In den Jahren, in denen Sie viel geschrieben aber noch keinen Verlag hatten, haben Sie da nicht mal an die „self-publishing“-Veröffentlichung  gedacht?

Ursula Poznanski:

Nein, das war nie eine Option, die mich gereizt hat. Die Frage ist natürlich, ob sich das geändert hätte, wenn ich über Jahre hinweg keinen Verlag gefunden hätte. Vielleicht. Aber wahrscheinlich hätte ich mich eher gefragt, inwieweit ich noch an mir arbeiten muss, um einen Publikumsverlag von meiner Arbeit überzeugen zu können. Ich bin aber sehr gespannt, wie sich das Self-Publishing in Zukunft entwickeln wird.

Für „Erebos“ haben sie viele Auszeichnungen erhalten. Unter anderem 2011 den Deutschen Jugendliteraturpreis durch die Jugendjury. Eine ganz besondere Auszeichnung für Sie?

Ursula Poznanski:

Oh ja, absolut! Ein phantastischer Moment. Ich hatte wirklich nicht damit gerechnet zu gewinnen und war im positiven Sinn geschockt. Besonders schön fand und finde ich, dass es der Preis der Jugendjury ist, also von der Gruppe kommt, für die ich „Erebos“ geschrieben habe.

In Österreich wird der Kinder- und Jugendliteraturpreis für Bücher österreichischen Verlagen bzw. für Autoren/rinnen aus nichtösterreichischen Verlagen. Nicht berücksichtigt werden Lizenzen, also Übersetzungen.

Erhält der Preis in Ihrem Land eine deutliche Aufmerksamkeit  in der Leserschaft und wird er durch den Buchhandel bekannt gemacht?

Ursula Poznanski:

Im Buchhandel ja, da findet man in manchen Läden Tische mit den Preisbüchern; von der Presse würde ich mir mehr Resonanz wünschen. Ich glaube, dem Kinder- und Jugendbuch würde ein wenig mehr öffentliche Aufmerksamkeit ganz allgemein gut tun.

Gibt es Ihrer Meinung nach bemerkenswerte Unterschiede im Bereich Kinder- und Jugendliteratur zwischen der Österreichischen und Deutschen Verlags- und Buchmarktszene?

Ursula Poznanski:

Natürlich – die deutsche Verlagsszene ist um ein Vielfaches größer und hat ganz andere Mittel. Ich liebe aber einige der österreichischen Kinderbuchverlage und das, was sie herausbringen, sehr. Die Bücher haben oft einen ganz eigenen Charme und bei manchen tut es mir sehr leid, wenn sie den quasi nur im Verborgenen entfalten können. Das gilt allerdings auch für gewisse Bücher aus deutschen Verlagen, die den Sprung ins allgemeine Leserbewusstsein nicht schaffen.

Wenn Ihnen eine Idee für einen Roman einfällt, haben Sie dann „nur“ den ersten und letzten Satz und lassen alles weitere während des Schreibens entwickeln oder entwerfen Sie von Beginn an einen ziemlich genauen Handlungs- und Figurenrahmen?

Ursula Poznanski:

Ich habe einen Plan, der den Anfang und das Ende beinhaltet, dazwischen gibt es einige Fixpunkte, der Rest ist dem Augenblick des Schreibens überlassen. Ich habe schon versucht, detaillierter zu planen, aber das gelingt mir nicht so richtig.

In einem Ihrer Interviews haben Sie einmal den Wunsch geäußert, dass Sie gerne ein eigenes Arbeitszimmer hätten. Ist dieser Wunsch mittlerweile erfüllt worden?

Ursula Poznanski:

Ja, das Arbeitszimmer gibt es jetzt, und ich bin sehr glücklich darüber.

Das bedeutet ja, dass Ihre bisherigen Bücher am Küchentisch (?) entstanden sind? Wie schaffen Sie es, im dicksten Trubel des Alltags an diesem Ort abzutauchen und sich in die Geschichte vertiefen?

Ursula Poznanski:

Ich kann ganz gut abschalten – auch dank der vorhin erwähnten Musik. Der Küchentisch war nicht der schlechteste Ort zum Schreiben, schließlich war der Kühlschrank in der Nähe!

Sind Sie eine disziplinierte Arbeiterin und wie disziplinieren Sie sich?

Ursula Poznanski:

Schwer einzuschätzen – ich wäre auf jeden Fall gern noch disziplinierter um den Versuchungen des Internets besser zu widerstehen. Aber wenn ich beim Schreiben „hängenbleibe“, wechsle ich fast automatisch zu meinem Browser und klicke mich durch die offenen Seiten – facebook, mein Schreibforum, diverse Blogs …

Das lenkt einerseits ab, gibt andererseits aber manchmal genau den entscheidenden Kick, damit es wieder weitergeht.

Zu „Saeculum“ gibt es einige Stimmen, die kritisieren, dass am Ende der Geschichte die Taten der Antagonisten mehr oder weniger ungestraft davonkommen und damit die „moralische“ Botschaft für die Jugendlichen fehlt.

Wie sehen Sie das?

Ursula Poznanski:

Anders, naturgemäß. Ich glaube nicht, dass jemand ungestraft davonkommt. Manche gehen schon gestraft in die Geschichte hinein. Es ist auch so, dass ich es schöner finde, dass die Leser sich ihre Meinung selbst bilden können. Gerade bei „Saeculum“ finde ich es nicht nötig, jemanden einer „offiziellen“ Strafe zuzuführen, vielleicht sogar mit Polizei und Gerichtsverhandlung. Da sind mir die leisen Töne zum Schluss wichtiger. Wer wird am Ende glücklich? Das ist doch die Frage.

Viele Leser fragen sich, ob „Erebos“ auch demnächst verfilmt wird? Und wenn ja, gibt es schon konkrete Daten?

Ursula Poznanski:

Das wird sich erst herausstellen – gearbeitet wird jedenfalls daran, eine Verfimung zu ermöglichen. Wenn die Finanzierung klappt, dann wird es einen Film geben. Aber ich muss mich da ebenso überraschen lassen wie alle anderen.

Und zum Schluss die drei letzten Fragen, auch wenn sie zum Teil bereits beantwortet wurden:

Wann schreiben Sie? (morgens, mittags, abends, immer)

Ursula Poznanski:

Immer. Aber vorwiegend zwischen acht und sechzehn Uhr.

Wie schreiben Sie? (Laptop, per Hand, PC)

Ursula Poznanski:

Auf einem Notebook, genauer gesagt einem Netbook, das ich überall hin mitschleppen kann.

Wo schreiben Sie? (Arbeitszimmer, Küchentisch, Baumhaus, überall)

Ursula Poznanski:

Seit einem halben Jahr in meinem Arbeitszimmer, und ich genieße es sehr.

Liebe Frau Poznanski, herzlichen Dank für Ihre Zeit und die interessanten Antworten zu den zahlreichen Fragen. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg und noch viele spannende Bücher!

Sabine Hoß

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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