Interview Bettina Belitz

Foto: André Weimar

Bettina Belitz hat sich mit ganz unterschiedlichen Büchern in kurzer Zeit einen hervorragenden Namen in der Kinder- und Jugendbuchszene gemacht:

Zum Beispiel mit dem romantisch-geheimnisvollen Fantasyroman „Splitterherz“, (der zweite Band „Scherbenmond“ erscheint im Frühjahr), der witzig-turbulenten Parcour-Schutzengel-Reihe „Lucie & Leander“  und mit „Freihändig“, in dem ein Junge sein Talent zum Voltigieren entdeckt und damit einen Weg zu seiner eigenen Persönlichkeit findet.

Was war der Auslöser, dass Du nach der Zeit als Redakteurin und freier Journalistin Deine Leidenschaft aus Jugendtagen zum Beruf gemacht hast?

Bettina Belitz:

Ich hatte schon als Kind den Wunsch, später als Autorin zu arbeiten, doch meine Eltern haben mir das rasch ausgeredet – sie hatten Angst, dass ich auf die Nase falle. Deshalb verdiente ich mein Geld schon während meines Studiums als Journalistin und war auch sehr zufrieden damit, obwohl der heimliche Traum vom Autorendasein ab und zu heftig nagte und zwickte. Als Hobby habe ich immer geschrieben; Jugendbücher und Kurzgeschichten. Dann hat meine Agentin 2008 mein Blog entdeckt, auf dem ich Auszüge meiner Manuskripte gestellt hatte und nahm mich unter Vertrag. Wenige Monate später hatten sich zwei Verlage gefunden, die mit mir zusammen arbeiten wollten. Mehr Auslöser war gar nicht möglich. Ich sattelte von jetzt auf nachher um. Seitdem schreibe ich auch offiziell und als Broterwerb Bücher und bin sehr glücklich damit.

War es ein schwerer, langwieriger Weg einen passenden Verlag zu finden?

Bettina Belitz:

Ich habe in meinem ganzen Leben zwei Mal einen Verlag angeschrieben und selbst bei diesen zwei Malen kam es mir vor wie eine Schnapsidee. Mit einer Absage habe ich fest gerechnet und mich nicht getäuscht. Ich habe nie richtig daran geglaubt, dass es etwas bringen würde, die Verlage anzuschreiben, weil mir bewusst war, wie viele Menschen das tun. Warum sollten sie ausgerechnet mich nehmen? Doch ich hatte Glück – meine Agentin schmökerte in meinem Blog, bat um weitere Leseproben und Manuskripte und entschied sich, mich zu vertreten. Sie hat mir Tür und Tor geöffnet. Ohne sie wäre all das, was jetzt passiert, undenkbar. Und sie steht mir stets mit Rat und Tat zur Seite.

Die Sportart „Parcour“ ist schon recht ungewöhnlich. Ein Mädchen als Hauptperson, die dieser Art der Fortbewegung verfallen ist, noch viel ungewöhnlicher.

Wie bist Du auf die Idee gekommen?

Bettina Belitz:

Mir war klar, dass Luzie eine Heldin sein musste, die sich ständig in Gefahr bringt und außerdem lieber mit Jungs abhängt als mit Mädchen. Als ich mir Gedanken um ihren Charakter, ihre Lebensweise und ihre Hobbys machte, sah ich im Fernsehen eine Dokumentation zum Thema Parkour und wusste sofort: Das ist Luzies Sportart – und das ist auch genau das, was einen „Schutzengel“ an den Rande des Wahnsinns treibt. Vor allem, wenn er so faul und nachlässig ist wie Leander.

Bist Du selbst schon über Dächer und Mauern gesprungen?

Bettina Belitz:

Nein, aber ich bin als Kind liebend gerne geklettert – auf Burgruinen zum Beispiel. Einmal bin ich als Mutprobe über eine relativ schmale Kante gekraxelt. Der Lohn: Anerkennung eines Jungen, der nur Mist im Kopf hatte, und 1, 50 Mark. Die hatte er mir versprochen, falls ich es tue. Das Riskanteste, was ich jemals getan hatte, war, über Schienen zu laufen, um Kaulquabben zu fangen, die am Bahndamm lebten . Plötzlich kam ein Zug angerauscht und ich musste ordentlich Fersengeld geben, um an eine Stelle zu gelangen, von der ich von der Schiene weg auf die sichere Seite springen konnte. Diese Geschichte haben meine Geschwister und ich jahrelang nicht unseren Eltern erzählt. Jetzt bin ich selbst Mama und sage: Bitte nicht nachmachen! Das war höllisch gefährlich.

Bei so einem gefährlichen Sport ist der Gedanke an einen Schutzengel nicht fern. Glaubst Du an Schutzengel oder eher an Schicksal oder an eine höhere Macht?

Bettina Belitz:

In „Scherbenmond“ fragt Ellie Colin, ob er an Gott glaubt. Er verneint das, sagt aber, dass, sollte es eine höhere Macht geben, sie ihn hoffentlich zu ihren Geschöpfen zählt. Das kommt meinem Gefühl relativ nahe. Ich habe auch schon Dinge erlebt, die sich nicht vollkommen mit Logik – zumindest nicht mit unserer mathematischen Logik – erklären lassen. Den Gedanken, dass es Schutzengel gibt, die über unsere Kinder wachen, finde ich schön. Generell bin ich jedoch nicht sehr engelaffin und auch nicht esoterisch veranlagt. Außerdem ist Leander ja gar kein Engel. Um Himmels willen! Er ist ein Sky Patrol. 😉

Gab es einen besonderen Grund, vielleicht ein Erlebnis, dass Du einen Jungen in „Freihändig“ als Protagonist und Voltigiertalent gewählt hast?

Bettina Belitz:

Ich schreibe gerne aus der Sicht von Jungen, und unter den Profivoltigieren gibt es eine beachtliche Männerquote. Warum also nicht ein Junge als Hauptfigur in einem Pferderoman? Ich mag es, mit Klischees zu brechen. Es müssen nicht immer nur Mädchen sein, die die Arbeit mit Pferden für sich entdecken.

Ist es Zufall oder eher bewusst gewählt, dass Du außergewöhnliche „Sportarten“ wie Parcour oder Voltigieren mit dem Entgegengesetzten der sonst üblichen Geschlechtern besetzt?

Bettina Belitz:

Oh, ich glaube, das ist Zufall – es ist mir erst beim Lesen dieser Frage bewusst geworden. Voltigieren ist für mich als Reiterin zudem keine außergewöhnliche Sportart. Aber wie ich schon gesagt habe – grundsätzlich gefällt es mir, schräge und einzigartige Persönlichkeiten zu skizzieren, bei denen gängige Klischees scheitern.

Wenn Du eine Geschichte beginnst, hast Du dann schon eine bestimmte Struktur, einen bestimmten Aufbau im Kopf oder entwickelt sich die Handlung und Personen erst im Laufe des Schreibens?

Bettina Belitz:

Ja, ich habe eine Kapitelplanung und weiß, wie die Geschichte verläuft und ausgeht – aber das sollte man als professionelle Autorin auch haben. Der Verlag möchte schließlich nicht die Katze im Sack kaufen. Ein wasserfestes Exposé ist zumindest in den Anfangsjahren die Grundlage eines jeden Vertrags. Ich finde das aber auch sehr hilfreich beim Schreiben. Kleine Variationen oder Abänderungen ergeben sich ohnehin während des Schaffensprozesses von ganz alleine.

Du hast selber einen Sohn, der Dich sicher auf Trab hält, ebenso wie Deine Begeisterung fürs Reiten und die Liebe zu Tieren allgemein.

Wann, wie und wo schreibst Du am besten, liebsten (z.B. nachts, morgens, abends, per Hand, PC, Schreibtisch, Baumhaus?)

Bettina Belitz:

Ich schreibe meistens vormittags und abends, direkt in den PC, und zwischendurch auch mal per Hand – das sind dann aber meistens Notizen oder Dialogfetzen, die ich auf keinen Fall vergessen möchte, wenn sie mir spontan einfallen. Unser Amberbaum ist leider noch zu klein für ein Baumhaus. Sonst würde ich einen solchen Platz zum Schreiben  durchaus in Betracht ziehen 😉 Im Moment ist mein kleines Arbeitszimmer unter dem Dach der Ort des Geschehens. Hier fühle ich mich geborgen und die Gedanken können frei fließen. Ich muss beim Verfassen eines Manuskripts sehr diszipliniert sein, denn wie schon in der Frage erwähnt: Mein Söhnchen und auch mein Pferd verlangen Aufmerksamkeit und Fürsorge, sodass ich manchmal fliegende Wechsel zwischen Kinderzimmer, Computer und Stall hinlegen muss. Doch die Familie steht immer an erster Stelle. Und das soll auch so bleiben.

Vielen herzlichen Dank, liebe Bettina für Deine Zeit und Antworten.

Ich wünsche Dir noch viele, tolle Ideen für weitere Bücher!

Bettina Belitz:

Diesen Dank möchte ich sofort zurückgeben – es hat mir Spaß gemacht, die Fragen zu beantworten.

Foto: André Weimar

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