Interview mit Claudia Schreiber zu „Sultan und Kotzbrocken in einer Welt ohne Kissen“

Claudia Schreiber (Foto (c) Tim Löbbert)

Claudia Schreiber (Foto (c) Tim Löbbert)

Warum hat es gut 10 Jahre gedauert, bis es die von den Kindern lang geforderte Fortsetzung des orientalischen Gespanns Sultan und Kotzbrocken gibt?

Claudia Schreiber:

Ich war immer der Ansicht, die Geschichte von Sultan und Kotzbrocken sei ein Solitär. Mich haben junge Leser und Leserinnen ermutigt, an eine Fortsetzung zu denken, besonders Emilia aus Schwetzingen hat das mehrfach getan. Darum kam ich endlich in die Gänge, wie man so schön sagt. Das Problem ist: Eine Fortsetzung muss wirklich etwas Neues erzählen, die Erwartungshaltung beim Leser ist hoch.

Warum glauben Sie haben wir Erwachsene bei der Benutzung von Schimpfwörtern in Kinderbücher immer so eine moralische Hemmschwelle, während Kinder darüber diebisch lachen können und gleichzeitig wissen, dass man diese Worte „eigentlich“ nicht benutzen darf?

Claudia Schreiber:

Viele Schimpfworte haben zwei Bedeutungen. SCHWEIN ist ein Tier, das wir gebraten gern verspeisen – und kann ein böses Schimpfwort sein. Liebkosend angewandt, klingt es wunderbar, wenn ich mein Baby nach einem Spinatessen „SCHWEINCHEN“ nenne.

Kotzbrocken klingt nach bäh, die zwei O im Wort lassen sich gut rufen, die Nennung dieses Wortes amüsiert kleinere Kinder – man darf so was nicht sagen, natürlich. Wir wissen das alle. Und doch hör ich es so gern, das verbotene BÄH! Es ist Teil der Komik.

Unser Sultan hat im Lauf der Geschichte seinen Diener Kotzbrocken sehr lieb gewonnen und sag: „Du mein lieber guter Kotzbrocken!“ So wird aus dem Schimpfwort ein Kompliment. Wohingegen jedes noch so liebe Wort gefährlich klingt, wenn wir z.B. unseren Ehemann stinkwütend rufen: „Schatz!“ Der Ton macht die Musik.

Sprache und Kommunikation wird immer oberflächlicher, abgehackter, abgekürzt.

Wie nehmen Sie diese Entwicklung bei Kindern wahr?

Wie sind Ihre Befürchtungen, wo das hingehen wird?

Claudia Schreiber:

Ich finde die Abkürzungen von heute dank SMS lustig. Hdl cu etc.

Sprachbildung entsteht in langen, langen Gesprächen und durch die Lektüre – in beiden Fällen sind Eltern, Omas und Opas und Erzieher gefordert. Mir macht Sorge, dass viele Kinder die Sprache ihrer Eltern nicht mehr sprechen können! Ich frage oft in Lesung, wer nicht nur eine Sprache, sondern sogar zwei Sprachen beherrscht. Dann melden sich die Kandidaten, und es stellt sich heraus, dass zu viele ihre Muttersprache nicht gepflegt haben, sondern sich mit Deutsch behelfen. Es ist aber so wichtig, sich in einer Sprache völlig zuhause zu fühlen.

Was reizt Sie besonders bei Lesungen, dem direkten Kontakt mit Kindern?

Claudia Schreiber:

Es ist ein Test: Ich lese, ich albere herum, schauspielere oder singe, oder veranstalte sonst was, um Kinder zu begeistern. Bestehe ich meine Prüfung vor diesem anspruchsvollen Publikum?! (Das meine ich ernst. Wenn es denen nicht gefällt, hab ich ein Problem. Erwachsene Zuhörer bleiben in öden Lesungen still, und denken bloß: na ja. Kinder brabbeln los).

Kann ich also so gut erzählen, dass mir zwanzig oder auch mal hundert Kinder ihre Aufmerksamkeit schenken?

Wenn es gelingt, ist deren Freude an der Geschichte so wunderbar ehrlich. Wenn die dann staunen und lachen, bin ich im siebten Himmel.

Wird es ein weiteres Abenteuer unter 10 Jahren Wartezeit mit Sultan und Kotzbrocken geben?

Claudia Schreiber:

Jetzt muss ich erst mal herausfinden, wie das neue Buch ankommt. Ich danke Ihnen herzlich, dass Sie es so positiv besprochen haben, das macht Mut! Ich bin im Herbst auf Lesereise, da wird es weitere Rezensionen geben. Wenn das alles ermutigend endet, wage ich es vielleicht.

Sabine Hoß

Es gibt noch ein weiteres, ausführliches Interview mit Claudia Schreiber auf dieser Seite unter der Rubrik >Interviews<

 

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