Kurz-Interview mit Bettina Flitner zu „Meine Schwester“

Bettina Flitner (Foto (c) Bettina Flitner)

Trotz vieler Projekte und Termine hat sich Bettina Flitner die Zeit für ein kurzes E-Mail-Interview genommen, worüber ich mich sehr gefreut habe.

Was war für Sie das Herausforderndste bei der Ausarbeitung und dem Verfassen der Erinnerungen an Ihre Schwester und der gemeinsamen Familiengeschichte?

Die Beschreibung der beiden Suizide. Das habe ich erst übersprungen und dann gemerkt, ich muss das jetzt erzählen. Das Aufschreiben machte es so plastisch und da musste ich durch.

Eine zweite Herausforderung war, die beiden Erzählstränge gut ineinander zu verflechten. Der eine erzählt ja die Kindheit und Jugend von mir und meiner Schwester, der zweite ist der Tag, an dem sie es getan hat und an dessen Abend ich es erfahre. Und diese beiden Stränge mussten sich organisch miteinander verweben. Das musste ja von Anfang bis Ende gelingen.

Sie schreiben, dass Sie nach dem Suizid Ihrer Mutter eine Psychotherapie gemacht haben. War die Auseinandersetzung des Freitods Ihrer Schwester in Form dieses Buches eine Art Befreiung und (auch Selbst-)Erkenntnis – vergleichbar mit einer Psychotherapie?

Nein. Es geht ja weniger um Selbsterkenntnis als um eine Spurensuche. Aber es hat mir geholfen, die Dinge zu sortieren. Ich habe mich nach zwei Suiziden in meiner Familie machtlos gefühlt, als könne alles jederzeit über mich hereinbrechen. Dadurch, dass ich es mir alles genau angesehen und es aufgeschrieben habe, fühle ich mich dem Schicksal nicht mehr ausgeliefert. Das Schreiben hat viel verändert. Es ist alles leichter geworden.

Ihre Schwester hatte, wie Sie, einen hervorragenden Blick für Menschen. Sie konnte sehr schnell ihre Bewegungen, ihre Stimmen und Sprachen imitieren – und hatte offenbar klar künstlerisches, schauspielerisches Talent.      Warum hat ihrer Meinung nach, Susanne das für sich nicht so erkannt, als Chance zu sehen, sich weiter zu entwickeln, sondern war immer zweifelnd und suchend – privat wie beruflich?

Ich habe mich ja auf die Spuren meiner Schwester und unserer gemeinsamen Vergangenheit begeben, weil ich auf genau diese Frage eine Antwort finden wollte. Die eine Antwort aber gibt es nicht. Es waren viele Faktoren, aber einer war sicher entscheidend: Je älter sie wurde, desto stärker lief sie in die Weiblichkeitsfalle. Sie war schon immer die Prinzessin, die Schminksachen bekam, während ich der Tomboy war, dem der Elektrobaukasten geschenkt wurde. Sie setzte mehr auf Schönheit und Charme. Sie hat meiner Mutter nachgeeifert. Meine Mutter war eine schöne Frau, die großen Wert auf ihr Äußeres gelegt hat, für die es wichtig war, immer jung und jugendlich zu bleiben. Und begehrt. Und meine Schwester ist dem gefolgt. Aber irgendwann ist meine Schwester älter geworden, und dieses Modell ging nicht mehr so einfach, es hat sie in eine Sackgasse gelotst. Sie ist dann den gleichen Weg wie meine Mutter gegangen, bis zum bitteren Ende.

Dass Sie nicht nur eine hervorragende Fotografin, sondern auch eine großartige Erzählerin sind, haben Sie mit diesem Roman bewiesen. Wird es ein weiteres Buch von Ihnen geben?

Ich denke schon. Das Schreiben war eine interessante Erfahrung für mich. Dass man anders herauskommt, als man reingegangen ist. Und es hat mir Spaß gemacht.

Und auch für Sie die drei typischen „Bücher leben!“-Fragen:

Wann schreiben Sie? (morgens, mittags, abends, immer?)

Vom späten Vormittag bis in den frühen Abend.

Wie schreiben Sie? (Laptop, PC, per Hand?)

Mit dem Laptop.

Wo schreiben Sie? (Arbeitszimmer, Küchentisch, Baumhaus, überall)

Ich habe diese Buch an verschiedenen Orten geschrieben, am Schreibtisch, im Garten, am Meer. Ich glaube, ich kann überall Schreiben.

Interview (c) Sabine Wagner

Meine Besprechung zu „Meine Schwester“ lesen Sie hier:

 

 

 

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