Hüter der Erinnerung

Hüter der Erinnerung KLEIN

Lois Lowry

Aus dem Amerikanischen von Anne Braun

dtv, September 2014 (Erstauflage in Deutschland 1998)

272 Seiten, € 9,95

ab 12 Jahre

 

 

Jonas lebt in einer perfekten Welt. Es gibt keine Schmerzen, keinen Krieg, alles ist von der Geburt bis zum Tod für einen geregelt. Als Jonas für den ehrenhaftesten Beruf in seiner Gemeinschaft auserwählt wird, nämlich die Stelle des „Hüters der Erinnerung“ einzunehmen, macht er während seiner Ausbildung bei dem „Geber“ (wie sich sein Vorgänger und Mentor nennt) Erfahrungen, die seinen bisherigen Horizont weit überschreiten. Zum ersten Mal erfährt er, was wahre Gefühle sind und dass es weit vor der Zeit der Gemeinschaft viel mehr gab, als das was Jonas nur durch die Gemeinschaft kennt. Als er auch die verborgenen Schattenseiten der Gemeinschaft kennenlernt, beginnt Jonas zu zweifeln, ob das System in der er sein ganzes Leben verbracht hat, wirklich so vollkommen ist und fasst den Entschluss, etwas höchst Gefährliches zu wagen und die Gesetze der Gemeinschaft zu brechen.

Anlässlich des kommenden Kinostarts dieses Buches nahm ich mir vor, erst einmal das Buch zu lesen, bevor ich in den Film gehe. Das Resultat: Ich denke, dass der Kinofilm, zumindest was die verschiedenen Trailer zeigen, deutlich mehr aus der Geschichte herausgearbeitet hat, als das Buch an sich. Das fand ich nämlich insgesamt ziemlich schwach, auch wenn das System und die Lage, als Jonas erfährt, dass  die Gemeinschaft doch nicht so perfekt ist, wie er immer gedacht hat, gut geschildert werden. Natürlich wirkt das System (wie die meisten Science Fiction/Dystopien-Systeme aus anderen Büchern) ziemlich erschreckend, vor allen Dingen, weil man noch vor Jonas eine Ahnung davon hat, was mit den  Leuten passiert, die aus der Gemeinschaft „freigegeben“ werden. Auch fand ich einige Dinge des Systems interessant, wie z.B. die Idee der Autorin, einen Hüter der Erinnerung in dieser so perfekten Gemeinschaft zu haben, der alle Erinnerungen aus unserer heutigen Zeit in sich speichert und deswegen auch als ein wichtiger Ratgeber des Rats fungiert (auch wenn das sehr selten vorkommt). Der „Geber“ in dem Buch hebt sich durch seine Charaktereigenschaften sehr von Jonas, dessen Familie und den anderen ab, weil er nicht diese künstliche Perfektion vermittelt. Auf mich schien er während des Lesens der einzige „echte“ Mensch zu sein. Jedoch ist es für ihn sehr hart, der Hüter der Erinnerung zu sein, was kein Wunder ist, wenn man sich vorstellt, dass er alle Erinnerungen der Menschheit in sich trägt. Dadurch erhält er eine gewisse Verletzlichkeit, die den Eindruck vermittelt, dass er durch den Druck irgendwann zusammenbrechen wird, noch bevor er Jonas alles beigebracht hat. Doch er überrascht immer wieder mit seiner Stärke und Weisheit, was ihn zu meinem absoluten Lieblingscharakter in diesem Buch macht. Der Hauptcharakter Jonas hat mir aber auch gefallen, da man sich als Leser sehr gut in ihn einfühlen kann. Er durchlebt während seiner Ausbildung zum „Hüter der Erinnerung“ eine äußerst intensive Wandlung, da ihm durch seine ehrenhafte Stellung in der Gemeinschaft erlaubt ist, mehr Fragen zu stellen. Durch die Antworten und Erinnerungen, die er erhält, beginnt er an der Perfektion des Systems zu zweifeln. Eine leichte Spannung kommt leider erst am Ende auf, das meiner Meinung nach ziemlich schwach ist. Hier hätte man definitiv mehr ausbauen können, ebenso, wie sich Jonas durch die Erfahrungen, die er durch seine Ausbildung erhält, immer mehr von seinen Freunden distanziert.

Johanna, 17 Jahre

 

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