Zwei oder drei Dinge, die ich dir nicht erzählt habe

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Joyce Carol Oates

Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit

Hanser, 28.07.2014

272 Seiten, € 15,90

 

 

 

Merissa, Tink und Nadia. Sie alle drei treten ihr letztes Schuljahr an der Quarker Heights Day School an. Merissa ist eine sehr beliebte, engagierte Schülerin, die immer nur Bestnoten schreibt und schon einen Platz an der Brown University sicher hat. Tink ist die Rebellin; sie lässt sich von niemandem etwas sagen und lebt nach ihren eigenen Regeln. Nadia bewundert im Stillen Merissa und muss sich gegen die Mobber-Attacken der anderen wehren. Sie alle drei verbindet der große Druck, der das Abschlussjahr mit sich bringt und jeder von ihnen hat ein Geheimnis, das sie versuchen voreinander geheim zu halten.

Das Abschlussjahr an der Schule ist für jeden ein ganz wichtiger Punkt in seinem Leben. Man verabschiedet sich von seinen Freunden, versucht noch einmal notentechnisch mächtig Gas zu geben, um einen guten Abschluss zu erlangen und schreibt Bewerbungen an Colleges. Dementsprechend ist der Druck sehr groß und jeder versucht auf seine eigene Weise mit diesem umzugehen und auch Merissa, Tink und Nadia haben ihre ganz eigene Art, damit fertig zu werden. Vor allem Merissas Art ist schockierend und ich fand, dass ihre Sichtweise von der Bestschülerin und dem „perfekten Mädchen“, die im Geheimen aber nur nach Aufmerksamkeit sucht, unabhängig von ihren schulischen Leistungen, am überzeugendsten. Bei Merissa behandelt die Autorin das Thema „Ritzen“ ganz intensiv und es war für mich verstörend zu lesen, dass Merissa denkt, dass sie sich mit dem Ritzen bestrafen müsse, wenn sie etwas getan hat, was sie in den Augen ihres Daddys nicht zu einem „perfekten Mädchen“ macht. Wobei dieser sowieso alles andere als ein „Vorzeige-Daddy“ erscheint. Dabei passt der Spruch „Nothing what it seems“ zu allen drei Mädchen, denn niemand von ihren Mitschülern würde von diesen drei Mädchen erwarten, dass eine von ihnen ein düsteres Geheimnis hat. Denn auch Tink, die von den Dreien die taffste ist, ist diejenige, die am Ende das schlimmste Schicksal ereilt und dem Druck nicht mehr standhalten kann. Wenn man Tink in der Geschichte beobachtet, findet man sehr schnell heraus, dass sie im Grunde ein einsames und hilfloses Mädchen ist, das versucht, dies mit ihrem rebellischen und aufmüpfigen Verhalten zu überspielen. Jedoch ist Tink eine Art Schlüsselperson, da sie oft in Merissas und Nadias Sichtweisen und Gedankengängen auftaucht und ein wichtiger Antrieb für deren Entscheidungen ist. Gegenüber den krassen Charakteren Tink und Merissa wirkt Nadia eher brav und ihre heimliche Verliebtheit zu einem ihrer Lehrer ist längst nicht so spektakulär, wie die Geheimnisse ihrer beiden anderen Freundinnen. Nadias Liebe zu ihrem Lehrer wirkt schlüssig, weil man darunter unterschwellig einen Hilferuf nach menschlicher Wärme, Aufmerksamkeit und Verständnis sehen kann, was auch bei ihrer kalten, unfreundlichen Familie kein Wunder ist. Gelungen fand ich, dass die Autorin die Gedanken und Gefühle, die die Abschlussschülerinnen während ihres letzten Schuljahres beschäftigen, realitätsnah und ohne irgendetwas zu verschönern festgehalten hat. Dabei zeigt sie, dass selbst nach außen wirkende „perfekte“ Menschen nicht immer das sind, was sie scheinen und mit den gleichen Ängsten und Druck kämpfen, wie alle anderen auch.

Johanna, 17 Jahre

 

 

 

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