„Warum ist das so?“ – Salah Naoura antwortet

Wie auf meinem Literaturportal bekannt gegeben, wurde dieses Jahr zum ersten Mal der „Oldenburger Jugendbuchpreis“ mangels Qualität der eingereichten Manuskripte nicht vergeben.

Auch ich habe nach mehr als 10 Jahren intensiver Arbeit mit Kinder- und Jugendliteratur sowie der Leseförderung festgestellt, dass es mir immer schwerer fällt, sprachliche und inhaltliche Perlen herauszufischen. Zu viele Bücher sind hier nur noch Massenware. Schade, dass ermüdet leider irgendwann und ich habe das Gefühl, alles schon einmal gelesen zu haben.

Auf die in den Raum gestellte Frage „Warum ist das so?“ hat mir der vielfach ausgezeichnete Kinder- und Jugendbuchautor wie auch Übersetzer Salah Naoura geantwortet:

„Meine Erfahrung und die vieler meiner KollegInnen ist, dass interessante, mutige neue Texte deutscher Autoren in letzter Zeit von den Verlagen nicht mehr angenommen oder sogar gleich im Entstehungsprozess ausgebremst werden. Seit dem Harry-Potter-Hype hat sich bei vielen Kinderbuchverlagen leider die Praxis eingeschlichen, immer häufiger für teure Lizenzgebühren englischsprachige Titel einzukaufen (vermutlich, weil man auf den neuen Potter hofft), die dann natürlich auch wieder eingespielt werden müssen – daher wird dann das Budget für Marketing und Werbung in eben diese teuren Lizenzen gesteckt, um deren Absatz zu steigern. Deutsche Titel spielten bei vielen Verlagen, das kann man wirklich so sagen, in den letzten Jahren häufig die zweite Geige, und angenommen und publiziert wurden in der Tat vor allem deutsche Titel, die dem Mainstream entsprechen, um sie auch ohne großen Werbeaufwand verkaufen zu können. Es ist für Autoren, die Anspruchsvolles oder Innovatives schreiben wollen, derzeit wirklich nicht leicht, ihre Manuskripte unterzubringen. Diesem Trend entsprechend stieg auch die Zahl der Buchprojekte, bei denen Verlage mit bestimmten Vorgaben an Autoren herantraten – solche Auftragsarbeiten für Mainstream (oft „Me-too“-Titel, also von der Konkurrenz abgekupferte) nehmen leider zu, und sicher gibt es inzwischen einige AutorInnen, die, nachdem ihre originären Texte immer wieder abgelehnt wurden, nun eben notgedrungen solche Mainstream-Aufträge annehmen.

Dazu kommt, dass das deutschsprachige Kinderbuch innerhalb der Branche leider in Misskredit geraten ist, weil es innerhalb unserer Branche in den letzten Jahren immer wieder schlechtgeredet wurde. Deutsche Autoren seien nicht in der Lage gut zu schreiben. Englischsprachige und skandinavische Titel seien sehr viel besser, hört man von Verlegern und auch Kritikern. Was für ein Unsinn. Warum sollen Deutsche, Österreicher und Schweizer schlechtere Bücher schreiben als Amerikaner, Engländer oder Schweden? Die Wahrheit ist, dass deutsche Verlage sich um den Aufbau deutschsprachiger neuer Autoren jahrelang nicht mehr bemüht haben, weil der Trend zurzeit eben bei den vermeintlich erfolgreicheren Lizenztiteln liegt. Und vergessen wird bei dieser Diskussion immer, dass der englische Markt eben ein Weltmarkt ist, mit MEHR Autoren – klar, dass da prozentual auch mehr gute Autoren dabei. Es ist reichlich zynisch, wenn Verlage, die beim anglophonen Weltmarkt die Sahnehäubchen abschöpfen und sich um ihre deutschsprachigen Autoren nicht bemühen, dann behaupten, es gäbe keine guten deutschen Autoren. Autoren aufzubauen MACHT ARBEIT, kostet Zeit und Mühe und Personal. Da finden viele es inzwischen einfacher, lieber von der Vorarbeit ausländischer Verlage zu profitieren und dort Bücher einzukaufen. Ich als deutscher Autor finde es schwer erträglich, wenn sich die Juryvorsitzende des Deutschen Jugendliteraturpreises 2012 vor der gesamten deutschen Buchbranche bei der Preisverleihung auf die Bühne stellt und sagt „Nein, Deutsche können nicht so gut schreiben wie die Schweden.“ Da fragt man sich als deutscher Autor natürlich, weshalb man dann dort sitzt und ob man nicht besser zu Hause geblieben wäre …

Auch der Deutsche Jugendliteraturpreis hat leider dazu beigetragen, die deutschsprachige KJL wenig attraktiv gelten zu lassen, weil viele wirklich gute deutschsprachige Titel und Autoren/Illustratoren leider nie auf den Nominierungslisten erschienen sind. Tolle Bücher von Nina Weger, Rusalka Reh, SaBine Büchner, Antje Herden, Sylvia Heinlein u.v.m … Allesamt etwa nicht gut genug? Durch ihre Nicht-Nominierung werden diese Bücher in der Öffentlichkeit natürlich weniger wahrgenommen … und an die Verlage wiederum ergeht vonseiten unseres Staatspreises das Signal, die deutschsprachige KJL sei leider nicht preiswürdig. Ist sie aber.

Mein Fazit: Deutschsprachige Autoren schreiben nicht schlechter oder besser als andere Autoren anderer Länder. Allerdings sind die Bedingungen für KJL-Autoren, die Anspruchvolles und Innovatives wagen wollen, in Deutschland derzeit aus den oben genannten Gründen leider denkbar schlecht.

Mit herzlichen Grüßen

Salah Naoura

Der Antwort von Salah Naoura stimme ich zu und wünsche Ihm sowie den Kolleginnen und Kollegen, dass sie sich nicht von der Beeinflussung der Verlage, Kritiker und Literaturpreisvergaben entmutigen lassen.

Sabine Hoß

 

 

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