Für Polina

Takis Würger

Diogenes, ET 26.02.2025

304 Seiten, € 26,00

 

 

 

 

Als Fritzi Prager mit 19 Jahren bei einem Trip nach Italien von einem wesentlich älteren Marmorhändler aus Hamburg schwanger wird, entscheidet sie sich für das Kind, verlässt ihr Elternhaus, das sie von ihnen keine Unterstützung bekommt.
Nach einigen Zwischenstationen landet Fritzi mit ihrem kleinen Sohn Hannes bei Heinrich Hildebrand, der eine Villa im Bissendorfer Moor, im Naturschutzgebiet Kananohe bei Hannover besitzt. Fritzis beste Freundin Günes ist mit ihrer Tochter Polina oft zu Gast in der Villa, so dass Hannes und Polina fast wie Geschwister aufwachsen, während der alte Heinrich Hildebrand insbesondere für Hannes wie ein Ziehvater ist. So ist es auch Hildebrand, der das musikalische Talent von dem ansonsten introvertierten Hannes entdeckt und fördert.
Hannes gilt in der Schule als Sonderling und ist eher der ruhige, unauffällige Außenseiter. Nur mit Polina fühlt er sich wohl und kann sich ihr gegenüber öffnen. Die beiden ziehen sich durch ihre Gegensätze an, da wo Hannes zu leise und zurückgezogen ist, tritt Polina laut und schrill auf. Mit vierzehn Jahren komponiert Hannes für Polina eine Sonate, auch um ihr seine Liebe auszudrücken, von der sie zwar ergriffen ist, aber nicht unbedingt die Liebe in gleichem Maße erwidert. Als Polina auf die Idee kommt, dass sie beide nach England zum gemeinsamen Studium gehen sollten und sie Hannes bittet, sich um ein Stipendium zu bemühen, kommt es zu einer folgenschweren Lüge von Hannes. Während Polina ihren Weg alleine geht und keinen Kontakt mehr zu Hannes hat, trudelt Hannes ohne Halt durchs Leben. Er wird in Hamburg Klavierträger bei Sebastian Blau, der aus dem Nichts „Transporte Forte – wir bringen ihr Clavier sicher an alle Orte – seit 1920“ ins Leben ruft und damit sehr erfolgreich wird. Bosch, ein Schrank von einem Mann, aber innen sensibel und zart, ist der stärkste Clavierträger bei Blau und wird Hannes Kollege und bester Freund. Obwohl Jahre ins Land vergehen und Hannes eine Beziehung mit Leonie eingeht, Ärztin für plastische Chirurgie aus feinem hanseatischen Hause, kann er Polina nicht vergessen. Irgendwann nimmt Hannes das Klavierspiel wieder auf und durch Zufall erscheint auf YouTube ein Video mit ihm und seiner „Polina“-Sonate, die er auf einem Klavier im Hamburger Grindelviertel spielt. Das Video geht in kürzester Zeit weltweit viral und Hannes auf Konzert-Tournee, in der Hoffnung, das bei irgendeinem Konzert Polina unter den Zuhörer*innen sein wird.

Obwohl sich die Geschichte flüssig liest, ist die Handlung surrealistisch und die Protagonisten bleiben trotz ihrer Schrägheit sehr oberflächlich. Die Gefahr bei einer Kombination von einer Vielzahl von speziellen Charakteren und einer Liebesgeschichte besteht darin, dass die Figuren wahlweise überzeichnet sind oder flach bleiben, Klischees entsprechen und die Story dem Kitsch verfällt. All diesen Fallen entgeht Takis Würger zuzüglich Längen im Handlungsverlauf leider nicht. Die Liebe zur Musik mit Erklärungen zu den zahlreichen Unterschieden verschiedener Klavier-Marken und Flügel verpackt er zwar mit Hannes liebevoll, doch rettet das nicht die schablonenhafte Story für ein Mindestmaß an Glaubwürdigkeit. Bevor der Autor am Schluss dann völlig in Liebeskitsch abdriftet, bekommt er so gerade noch die Kurve und endet wenigstens realistisch. Wenn man in der Sommerhitze eine leichte, überzeichnete musikalische Schmonzette mit flachen Figuren lesen möchte, ist man hiermit gut bedient.

Das Cover ist, wie immer bei Diogenes, stimmig ausgesucht.

Sabine Wagner

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