Der verschwundene Buchladen

Evie Woods

Aus dem Englischen von Ivonne Senn

Adrian & Wimmelbuchverlag;; 1. Edition (2. September 2024)

418 Seiten, € 14,95

Bücher über besondere Buchläden gibt es unzählige, hier nur eine Auswahl:
Da gibt es den Buchladen, der zum Verlieben ist, ein kleiner Buchladen, der gute Wünsche verspricht oder ein fabelhafter Buchladen, ein Buchladen in den Bergen oder wahlweise an vielen anderen Orten und sogar am Ende der Welt, und natürlich gibt es auch einen kleinen Buchladen zum großen Glück. Es wundert daher nicht, dass nun auch ein Roman über einen verschwundenen Buchladen geschrieben wurde, der sich zudem mit dem trendigen, aber zugegebenen sehr schönen Buchschnitt samt einem ebenfalls ins Auge fallenden Cover perfekt verbunden präsentiert.
Evi Gaughan hat diesen Roman, der Vergangenheit, Gegenwart mit einer Mischung von Magie und Fantasy vereint, unter dem Pseudonym Evi Woods geschrieben.

Opaline bricht mit Anfang Zwanzig zu Beginn der zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in London aus den Zwängen ihrer Familie heraus und flüchtet vor der Zwangsheirat, die ihr älterer Bruder Lyndon für sie arrangiert hat. Zum Wohle der Familie und seinen eigenen Vorteil nicht ungeachtet. Opaline flüchtet vor der Heirat zunächst nach Paris, wo sie in der heute weltberühmten Buchhandlung „Shakespeare & Company“ Zuflucht sucht und mit der Gründerin Sylvia Beach Freundschaft schließt. Doch ihr Bruder bleibt ihr auf den Fersen und so muss Opaline weiter nach Dublin flüchten. Durch das Pseudonym ihrer Lieblingsschriftstellerin Emily Brontë inspiriert eröffnet Opaline in Dublin einen kleinen Buchladen, „Belle Books“, in dem sie seltene und gebrauchte Bücher erfolgreich verkauft. Doch auch hier ist sie vor ihrem herrschsüchtigen älteren Bruder nicht sicher, der sich an ihr für die geplatzte Hochzeit grausam rächen wird.

Gegenwart. Martha flüchtet Hals über Kopf nach Dublin vor ihrem brutalen, handgreiflichen Ehemann. Ohne Geld und Plan bekommt sie bei der älteren Dame Madame Bowden einen Job als Haushälterin. Madame Bowden lebt in einem etwas heruntergekommenen Haus, dass sich im Laufe der Zeit so mysteriös wie sie selbst zeigt. So kratzbürstig und abweisend sich Madame Bowden zu Beginn Martha gegenüber verhält, so geheimnisvoll nähert sie sich ihr, je länger die beiden sich kennen.
Durch einen Zufall lernt Martha Henry kennen, einen etwas unbeholfenen jungen Mann, der eine Doktorarbeit über verlorene Manuskripte schreibt und der leicht nerdig, besessen auf der Suche nach einem verschwundenen Manuskript von Emily Brontë ist, das er in einem Katalog von Opaline entdeckt hat. Zudem ist er auf der Suche nach Opalines alten Buchladen, der sich in der Ha`penny Lane 11 in Dublin befinden soll, doch diese Nummer gibt es dort nicht. Allerdings wohnt Madame Bowden in Nr. 12 und so trifft Henry auf Martha, als sie das Haus für Besorgungen verlässt. Henry ist wie verzaubert von Martha, die ihn auf Abstand hält. Aber Henry versucht hartnäckig mit seiner leichten Schrägheit und dennoch liebevollen Charme eine Freundschaft zu ihr aufzubauen. Mit zahlreichen Höhen und Tiefen entwickelt sich zu seiner Freude ganz langsam auch eine zarte Liebesbeziehung, die allerdings viele Bewährungsproben standhalten muss.

Auch wenn ich mich an die etwas altbacken wirkende Sprache gewöhnen musste, gelingt es Evi Woods, die Suche nach dem verloren gegangenen Manuskript von Emily Brontë und den verschwundenen Buchladen von Opaline als roten Faden durch die zwei Zeitebenen und mit den drei Protagonisten zu verbinden. In abwechselnden Kapiteln, jeweils aus der Perspektive von Opaline, Martha und Henry erzählt, bauen sich die unterschiedlichen Lebenswege und Probleme der jeweiligen Figur auf. Was die drei Personen vereint, ist Selbstzweifel, die Suche nach sich selbst und die Suche nach neuem Boden unter den Füßen, den sie aus unterschiedlichen Gründen verloren haben. Alle drei sind vereint durch das einzige Buch von Emily Brontë, „Sturmhöhe“ und der Suche nach dem mysteriösen, verloren gegangenen Manuskript ihres angeblich zweiten und nie erschienenen Romans. Trotz allen Widrigkeiten gibt Henry seine Suche nach dem Manuskript und verschwundenen Buchladen von Opaline nicht auf. Auch wenn Martha zunächst Probleme mit dem Lesen und Büchern hat, zeigt ihr Henry mit Feingefühl, „dass alles möglich ist“ und gibt ihr neuen Mut, selbstbewusst zu sein und zu sich zu stehen. Die Autorin versteht es wunderbar, fantastische Elemente in die jeweiligen realen Probleme der Figuren einzubinden, die magisch sind, ohne in Kitsch abzurutschen. Für alle gilt, dass sie neben dem Halt durch einen zugewandten Menschen, Kraft und Mut durch Bücher finden.

Auch wenn „übersinnliche“ Bücher nicht mein Genre sind, ist „Der verschwundene Buchladen“ ein unterhaltsamer Roman, in den man sich wohlig hineinfallen lassen. Die drei Protagonisten zeigen mit realen Belastungen des Lebens und mit übernatürlichen Begebenheiten, welche Kraft (und welches Glück) die Liebe zu Büchern, Literatur zu geben vermag.

„Die Sache mit Büchern ist die“, sagte sie. „Sie helfen einem, sich ein größeres und besseres Leben vorzustellen, als man es sich je erträumen könnte.“
(Zitat aus dem Buch, Seite 416)

Sabine Wagner

Dieser Beitrag wurde unter Autoren, Bestenliste veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Kommentare sind geschlossen.