Anni

John Newman

Aus dem Englischen von Anne Braun

Fischer Schatzinsel, März 2011

256 Seiten, € 12,95

ab 8 Jahre

Inhalt:

Vor 149 Tagen hat Anni ihre Mutter durch einen tragischen Verkehrsunfall verloren. Nicht nur sie hat seitdem einen wichtigen Halt verloren, auch ihre beiden älteren Geschwister sind aus der Spur geraten. Ihr Vater bietet keine Unterstützung und Hilfe, denn er überlässt die Kinder sich selbst, kümmert sich um nichts und sitzt nur apathisch auf dem Sofa. Erst als Sally, Annis ältere Schwester abhaut, nachdem sie beim Ladendiebstahl erwischt worden ist, wacht der Vater – aber auch die anderen Familienmitglieder – langsam aus ihrer Trauer auf und beginnen ihr Leben neu zu ordnen. Anni erzählt aus ihrer Sicht von dem turbulenten und aus dem Ruder geratenen Familienleben. Obwohl die Verwandtschaft sich bemüht, sie und ihre Geschwister aufzufangen, finden sie keinen wirklichen Halt und treiben wie Korken auf dem Wasser. Ihre Großeltern versuchen ihr bestes, doch auch sie stoßen auf ihre Grenzen.

Rezension:

Was passiert in einer Familie, in der von heute auf morgen die Mutter durch einen tragischen Verkehrsunfall aus dem Leben gerissen wird? Das erzählt Anni aus ihrer Sicht genau so, wie ein etwa zehnjähriges Mädchen fühlen und denken kann, wenn die Mutter seit fast einem halben Jahr tot ist und nichts mehr in der Familie ist wie zuvor. Sie ist bemüht, so etwas wie einen Alltag zu leben, aber daran ist eigentlich nicht zu denken. Die älteren Geschwister sind alle mit sich selbst beschäftigt , der Vater ist in eine Depression verfallen, gibt keine Grenzen mehr, von Halt und Hilfe gar nicht zu reden. Hausaufgaben werden nur noch gemacht, wenn Anni bei der resoluten Tante B. ist, ansonsten sieht sie das Thema Schule eher lässig. Dort wird sie immer wieder von Schulkameradinnen geärgert und gehänselt, nach dem Tod der Mutter noch mehr wie zuvor. Nur ihre Freundin Orla gibt ihr Rückhalt und muntert sie mit Witzen auf, deren Pointe Anni meist nicht versteht, und die Erklärungen dazu ebenso wenig. Die Großeltern bemühen sich redlich, die wie Korken auf dem Wasser treibenden Kinder immer wieder aufzufangen, doch sie stoßen auf Grenzen. Es gelingt ihnen auch nicht, den Vater wieder ins Leben zu rufen und sich seiner Verantwortung der Kinder gegenüber bewusst zu werden. Als die ältere Schwester Sally des Ladendiebstahls überführt wird, gibt es den großen Knall in der Familie, denn sie haut ab. Allerdings hinterlässt sie eine Nachricht in ihrem Tagebuch, das Anni  immer wieder heimlich liest, wohlwissend, dass man das nicht macht.  Aber Anni glaubt damit die einzige Möglichkeit zu haben, sich den wahren Gefühlen und Gedanken ihrer Schwester zu nähern, die sich seit dem Tod der Mutter immer unnahbarer geworden ist. Sally bemerkt dies natürlich und ist sich auch sicher, wer die üble Schnüfflerin ist, denn sie hinterlässt immer wieder eindeutige Nachrichten für sie. Obwohl Annis Tagebuchschnüffelei bei der späteren Suchaktion zu einer entscheidenden Hilfe wird, erscheint mir dieser Eingriff in die absolute persönliche Atmosphäre eines anderen zu lässig und harmlos heruntergespielt. Trotz der teils bewegenden Erzählungen, verliert sich die Geschichte in Teilen zu ausführlich in Nebensächlichkeiten, was sehr schade ist. Auch wenn man Einblicke  in die traurigen, wütenden und auch verzweifelten Gefühle der Familienmitglieder hat, hätte ich mir ein wenig mehr Tiefe und Hintergrund der Charaktere statt dem Überfluss an Unwesentlichem gewünscht. So bleibt beispielsweise völlig offen und unverständlich, warum es nicht Annis „richtige“ Mutter gewesen ist,  was eine Schulkameradin bei einem der häufigen verbalen Streitigkeiten auf dem Schulhof äußert. Trotz allem ist es im Rahmen der Trauerverarbeitung für die gesamte Familie ein in großen Teilen humorvolles Buch, nach einem schweren Verlust trotz aller Traurigkeit, Wut und Verzweiflung wieder positiv nach vorne zu schauen.

Sabine Hoß

Bewertung:

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