Vango – Zwischen Himmel und Erde

Timothée de Fombelle

Aus dem Französischen von Tobias Scheffel und Sabine Grebing

Gerstenberg, Juni 2011

400 Seiten, € 16,95

ab 12 Jahre

 

Inhalt:

Paris 1934. Der 19-jährige Vango soll auf dem Kirchenvorplatz von Notre Dame mit anderen Männern zum Priester geweiht werden. Die feierliche Zeremonie wird von einer nicht unübersehbaren Gruppe Polizisten gestört, die von Kommissar Boulard angeführt wird. Mit den zwei Wörtern und dem Ruf nach „Vango Romano“ wird eine Hetzjagd nach dem jungen Mann eröffnet, der aber unerkannt fliehen kann. Vango wird beschuldigt, Pater Jean aus seinem Priesterseminar ermordet zu haben. Doch Vango weiß davon nichts und als er bei seiner gefährlichen Flucht genau bei diesem Unterschlupf sucht, findet er den getöteten Pater und seine an ihn hinterlassene letzte Nachricht: Fugere Vango – Fliehe Vango! Eine abenteuerliche Verfolgungsjagd beginnt, die unterschiedliche Zeitabschnitte berührt und auf den Dächern von Paris, an Bord eines Zeppelins, am Bodensee, auf den äolischen Inseln und in Schottland ausgetragen wird. Wird Vango herausbekommen, wer seinen Tod wünscht, seine Eltern waren und wo seine Wurzeln sind?

 

Rezension:

Timothée Fombelle gelingt es, den Leser von der ersten Seite an in die Geschichte einzubinden. In kurzen, knappen Sätzen, die dynamische Kraft und ironischen Witz miteinander verbindet, baut er in rasantem Tempo eine Story auf, bei der man konzentriert dabei bleiben muss, um nicht den Faden zu verlieren. Das Buch ist in drei Kapitel unterteilt, wobei es Zeitsprünge in jedem dieser Abschnitte gibt, die einen Zeitraum von 1915 und der Gegenwart des Geschichte 1934 umfasst. In unglaublichen schnellen Schnitten, die den typischen „actiongeladenen“ Kinofilmen gleichen, wechselt der Autor Personen, Zeiten und Handlungsräume. Dieses rasante Tempo, das sicher viele jugendliche Leser vom Kino her gewohnt anspricht, baut einen Spannungsbogen auf, weil man von einem Geschehen und Person zum nächsten geschleudert wird. Es birgt aber auch die Gefahr, sich zu verzetteln und den vielen Seitensträngen nicht die nötige Tiefe zu geben, was leider hier geschehen ist. Fombelle gelingt es, den einzelnen Charakteren ein ausgearbeitetes und individuelles Gesicht zu geben wie z.B. dem eitlen, arroganten Kommissar, der mit siebzig Jahren noch immer bei seiner Mutter lebt oder Ethel und ihr Bruder Paul, die mit einer geheimnisvollen Vergangenheit leben und den frühen, mysteriösen Tod ihrer Eltern immer noch nicht überwunden haben. Vango, der eigentliche Hauptprotagonist verbindet eine undurchsichtige Liebesbeziehung mit Ethel. Er begegnet ihr wieder nach Jahren auf seiner Flucht, weil man ihm einen Mord zur Last legt, den er aber nicht begangen hat. Nicht nur seine Flucht ist abenteuerlich; rätselhaft ist für ihn auch die Frage, wo seine Wurzeln, wer seine Eltern sind und warum jemand offensichtlich seinen Tod will. Er ist als Kind mit seiner Amme auf Salina, einer äolische Insel in Sizilien angeschwemmt worden und wuchs dort in wilder Ungebundenheit auf. Später besuchte er auf einer winzigen Insel ein geheimes Kloster, das er aber für ein Jahr verlassen musste, bevor er sich ganz in das strenge und einsame Klosterleben sich einfügen darf. Die Geschichte spielt vor dem politischen Hintergrund des zweiten Weltkrieges, wobei vorausgesetzt wird, dass man sich mit diesem Stück Zeitgeschichte und den politischen Machenschaften ein wenig auskennt, ansonsten versteht man verschiedene Andeutungen schlicht einfach nicht. Viele Beziehungskonstellationen werden nur angerissen und die politische Dramatik zwischen dem Nazi-Deutschland und Russland bleibt oberflächlich und plakativ bis phantasievoll ausgeschmückt. Ob diese Kulisse wirklich so glücklich für eine solche Abenteuergeschichte ist, soll jeder für sich entscheiden. Obwohl das Buch  temporeich und spannend geschrieben ist, die zahlreichen Sprünge und Nebenhandlungen geschickt miteinander verbunden werden, bleiben jedoch viele angeschnittene Nebenstränge offen. Nach knapp 400 gelesenen Seiten schließt man das Buch mit vielen unbeantworteten Fragen wie z.B. woher Vago nun eigentlich kommt, wer seine Eltern sind und wer ihm einen Mord zur Last legt, den er offensichtlich nicht begangen hat. Für den zweiten Band, der im Herbst 2012 erscheinen soll, kann das zu zwei Reaktionen führen: Entweder man ist so neugierig geworden, zu erfahren, wie sich (hoffentlich) der Kreis schließen wird oder man legt enttäuscht und genervt das Buch zur Seite, weil man auf 400 Seiten den erhofften Höhepunkt durch die zu vielen, wechselnden Nebenhandlungen ohne Tiefe nicht wahrgenommen hat.

Sabine Hoß

Bewertung:

 

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