Das Stahlwerk

Christian Piskulla

Cleverprinting Verlag

420 Seiten, € 14,90

 

 

 

 

 

Duisburg 1941. In der Germania Metall Union sind innerhalb kurzer Zeit zehn Mitarbeiter brutal ermordet worden. Die Angst geht bei den Arbeitern um und der Leiter des Stahlwerks, Doktor von Kessel, muss sich vor höherer Stelle für die Morde und den Arbeitsausfall rechtfertigen. Dafür holt er den Zwangsarbeiter Jarek Kruppa aus seiner Haft und gibt ihm eine Woche Zeit den Mörder zu finden. Jarek Kruppa, 42  Jahre alt, war Nahkampfausbilder in der polnischen Armee und wechselte dann zur Warschauer Polizei und gehörte bis zu seiner Verhaftung zu den besten Kriminalpolizisten bei der Mordkommission in Polen. Für Kruppa ist diese Ermittlung die Chance, dem Zwangarbeitslager zu entfliehen, weiß aber auch, dass er bei Nichterfolg mit dem Tode rechnen muss. Der Leiter des Werkschutz, Paul Schöppke, wird ihm mit seinen Kollegen an seine Seite gestellt. Eine große Unterstützung ist dieser hoffnungslos unterbesetzte Werkschutz allerdings nicht, denn er besteht aus Rentnern und Kriegsversehrten, die schlecht ausgerüstet und mangelhaft ausgebildet sind.

Jarek Kruppa und Paul Schöppke stehen vor der fast unlösbaren Aufgabe, den Mörder von wahllos und äußerst brutal getöteten Opfern in dem gigantischen, unübersichtlichen Komplex der Germania Stahlwerke zu finden.

Christian Piskulla ist mit seinem ersten Buch ein hochspannender Thriller gelungen, den er in den außergewöhnlichen und faszinierenden Hintergrund eines Stahlwerkes während des zweiten Weltkrieges einbettet. Ihm gelingt es meisterhaft, die dunkle, laute und unheimliche Atmosphäre des gigantischen Stahlwerkes mit seinen unzähligen, unüberschaubaren Hallen, zahllosen Versteckmöglichkeiten und dem labyrinthartigen Kellersystem zu beschreiben. Der Autor hat den historischen Zeitabschnitt des zweiten Weltkrieges und die Arbeitsweise nicht nur sorgfältig recherchiert, was sich in vielen kleinen Details und Beschreibungen wiederspiegelt, sondern versetzt den Leser durch seine lebendige, bilderreiche Sprache regelrecht in dieses Stahlwerk jener Zeit. Ich war dadurch von der ersten Seite an in dieser Geschichte gefangen, was auch an den hervorragend ausgefeilten Figuren liegt, zu denen man im Laufe der Geschichte einen engen Bezug entwickelt.

Im Vordergrund ist der kauzige Leiter des Werkschutzes, Paul Schöppke, der das Stahlwerk und seine Mitarbeiter wie seine Westentasche kennt, dabei gerne über die Kollegen frotzelt und ironisch aufs Korn nimmt. Das könnte ihn unsympathisch machen, aber da er auch sich selbst durchaus nicht ernst nimmt und sich dabei zu einem zuverlässigen, loyalen und wichtigen Partner von Jarek Kruppa entwickelt, schließt man ihn im Laufe des Buches richtig ins Herz. Auch zu Jarek Kruppa, die eigentliche Hauptperson, entwickelt man eine faszinierende Beziehung, je weiter er mit seinen Ermittlungen kommt. Doch auch scheinbar unbedeutendere Personen arbeitet Piskulla, wie den zwielichtigen und auf (eigenen) Profit ausgerichteten Leiter des Stahllwerks, Doktor von Kessel, nicht nur oberflächlich aus.

Dabei hat der Autor einen raffinierten Spannungsbogen aufgebaut, denn es dauert eine ganze Weile, bis Kruppa mit seinen ausführlichen Ermittlungen ein Muster erkennt. Der Leser tappt derweil noch länger im Dunkeln, was die Dramatik geschickt erhöht. Ab dem Moment, an dem Kruppa glaubt zu wissen, wer der Mörder ist, gewinnt die Geschichte an rasantem Tempo und Piskulla erhöht den Nervenkitzel, in dem er bei einigen Kapiteln in der auktrionalen Erzählweise mit dem Satzende der beiden Ermittelnden das Kapitel des Täters fortsetzt.

Mit immer neuen überraschenden Wendungen weiß der Schriftsteller die Spannung so hochzujagen, dass man irgendwann das Buch nicht mehr aus der Hand legen mag und alles andere für den Moment nebensächlich wird. Einen solchen Zustand habe ich schon lange nicht mehr bei einem Roman, pardon Thriller, erlebt. Chapeau!

Sucht man in diesem Herbst/Winter einen Schmöker, der einen die derzeitigen widrigen Umstände durch Corona und Wetter-Tristesse mit einer hochspannenden Geschichte, außergewöhnlichen Figuren in einem höchst ungewöhnlichen und sorgfältig recherchierten Setting die Zeit vergessen lässt – dann ist dieser Thriller die erste Wahl.

Ein atmosphärisch perfektes Cover rundet das Buch ab.

Sabine Wagner

Ein Interview mit Christian Piskulla liest man hier:

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