Malindi

Troy Blacklaws

Aus dem Englischen von Michael Kleeberg

Liebeskind, Februar 2008

286 Seiten, € 19,80

ab 14  Jahre

Inhalt:

Douglas, 14 Jahre alt, verliert während eines Kricketspiels durch einen tragischen Unfall seinen Zwillingsbruder. Die Familie zerbricht an der Trauer, der Vater verschwindet aus dem Leben und auch die Mutter will fernab von Kapstadt neu beginnen. Sie zieht mit Douglas und der Haushälterin in das trockene, dörre und öde Hinterland der Karoo. Douglas ist darüber alles andere als glücklich, denn er hat sich in dem bunten, lebensfrohen Kapstadt sehr wohl gefühlt. Der neue Lebensort ist ein Albtraum für Douglas, denn hier regiert Apartheid und politische Engstirnigkeit, was nicht nur in der Schule große Probleme mit sich bringt. Doch Douglas trifft auf zwei Menschen, die ihm das Alltägliche ein wenig erträglicher machen: Marika, seine erste große Liebe und der ältere, farbige Tankwart Moses, der aus einer Not heraus im Hinterland hängengeblieben ist. Moses träumt davon, einen alten schrottreifen Volvo wieder fahrbereit zu machen und damit nach Kapstadt zu fliehen. Gemeinsam mit Douglas machen er sich an die Verwirklichung seines Traumes, denn beide möchten damit ihr Ziel erreichen: Moses will in die Freiheit nach Kapstadt und Douglas will seinen Vater suchen, den er irgendwo in Malindi vermutet.

Rezension:

Vor kurzem gab mir eine Kollegin diesen Lesetipp, mit der schon fast kleinlauten Bemerkung, „dass es leider keine Novität sei, aber trotzdem ein richtig tolles Buch.“ Es ist richtig, „Malindi“ ist bereits Anfang 2008 erschienen, dazu nicht bei einem klassischen Kinder- und Jugendbuchverlag. Diese Tatsache sorgt manchmal, unlängst wieder bei den Nominierungen zum Deutschen Jugendliteraturpreis, für kontroverse Diskussion und Irritation, die ich in großen Teilen für unsinnig halte. In der unüberschaubaren Zahl der mehrmals im Jahr erscheinenden Bücherflut – nicht nur im Kinder- und Jugendbuchbereich –  gleicht die Suche nach wertvollen, literarischen Büchern immer mehr der nach der berühmten  Nadel im Heuhaufen. Daher möchte ich auch drei Jahren nach Veröffentlichung – und bevor es wieder vom Markt verschwindet, auf diesen Roman aufmerksam machen.

Troy Blacklaws ist mit einer intensiven, klaren Sprache eine bewegende Geschichte gelungen, die gefühlvoll wie schockierend ist. Eine Familie, die an dem Tod eines Kindes zerbricht, die Identitätssuche des zurückgebliebenen Zwillingsbruders, der sich verwaist fühlt, weil er seine zweite Seele, sein Spiegelbild von heute auf morgen verloren hat. Die Eltern trennen sich, der Vater verschwindet aus dem Leben von Douglas. Man spürt die Lebensfreude von Douglas als begeisterter Wellenreiter an den Stränden von Kapstadts genauso wie die Dörre, Ödnis und auch geistige Verkümmerung im Hinterland der Karoo, so dass man nachvollziehen kann, warum Douglas hier weg will. Während er in Kapstadt die Apartheid mit seiner brutalen Gewalt wie mit einem Weichzeichner wahrnimmt, wird er damit im Hinterland knallhart konfrontiert. Deutlich wird das durch z.B. durch Moses, dem farbigen Tankwart, der als ehemaliger Minenarbeiter sein Glück in Kapstadt finden wollte, bevor man ihm Geld und Papiere stahl. Außer Douglas nennt  ihn keiner mit seinem richtigen Namen. Warum auch, schließlich ist „Jim“ auf dem Rücken seines Arbeitsoveralls gestickt. Mit seiner Schulkameradin Marika erlebt Douglas seine erste Liebe. Gleichzeitig kämpft er mit seiner Mutter um seine notwendige Freiheit, die ihn aus Angst, auch ihn zu verlieren, lieber in ein festes Zeitkorsett drängen will. Marikas Vater ist ein hasserfüllter Rassist, was zu weiteren schicksalshaften Situationen führt. Die Zeit mit ihr alleine genießt Douglas über alles und gibt ihm Kraft. Neben dramatischen Szenen, die gnadenlos und mit Wucht beschrieben werden, spannt der Autor auf wunderbare Weise den Bogen zu sanften Bildern in einer zarten, poetischen Sprache. Am Ende bekommt die Geschichte noch einmal eine Wendung, die für Douglas ein erbarmungsloses aber befreiendes und erkennendes Aufwachen in der Wirklichkeit wird, für das er vier Jahre gebraucht hat. Vom literarischen Anspruch ist dieses Buch ein Grenzgänger zwischen Jugend- und Erwachsenenliteratur, aber im Jugendbuchbereich gibt es ja die vielseitig einsetzbare Bezeichnung des „all age“-Romans, die auch für dieses Werk zutrifft.

Ein schmaler Roman vor der Kulisse Südafrikas, fern jeder zauberhaften Postkartenidylle, mit einer tiefen, unglaublichen Bandbreite zwischen Hass und Liebe, Trauer und Zuversicht, Sehnsucht und Ankommen, der sowohl die Ernsthaftigkeit wie auch Leichtigkeit eines Heranwachsenden in einer brillanten Sprachgewalt zeigt.

Dass diese Sprache so wunderbar trifft, ist auch der hervorragenden Übersetzung von Michael Kleeberg zu verdanken!

Das Cover ist dagegen leider nicht gelungen. Es erinnert eher an eine „Wüsten-Roadstory“, was der Roman schlichtweg nicht ist.

Sabine Hoß

Bewertung:

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