Als gäbe es einen Himmel

Els Beerten

Aus dem Niederländischen übersetzt von Mirjam Pressler

FJB, Oktober 2011

624 Seiten, € 19,95

Jugendbuch ab 14 Jahre

 

 

Inhalt:

Der Zweite Weltkrieg liegt zwanzig Jahre zurück. Die Familie Claessen kommt 1967 in Belgien zusammen, um dem Bruder und Sohn zu gedenken, der im Kongo als Pater lebte  und durch einen Autounfall verstorben ist. Damit wird eine Geschichte aufgerollt, die viel mehr als nur eine Familiengeschichte ist. Sie geht in die Zeit des zweiten Weltkrieges zurück und spielt in dem kleinen Land Belgien, das von den Deutschen besetzt wird und in dem Flamen und Wallonen sich, wenn überhaupt, nur schwer akzeptieren können. Jef, der älteste Sohn der Familie Claessen, und sein bester Freund Ward träumen davon, Helden zu werden. Jefs Schwester Renée fühlt sich zu Ward hingezogen und träumt von einer Karriere als Musikerin. Ward ist ebenfalls ein begnadeter Saxophonist und auch für den jüngsten Bruder Remi spielt die Musik eine wichtige Rolle. Er würde so gerne viel mehr über die Zusammenhänge in seiner Familie und den politischen Entwicklungen wissen, doch er wird von allen immer nur von oben herab als „der Kleine“ behandelt. Als Ward zu den Deutschen überläuft, um für sein Land zu kämpfen, versteht das keiner im Dorf und gilt seitdem als Verräter. Als er sein Dorf besucht, gerät er in ein folgenschweres Treffen von Widerständler, bei dem er angeblich einen von ihnen erschießt. Doch Jef, der dabei ist, weiß, dass dies nicht der Wahrheit entspricht. Trotzdem behauptet er, dass Ward geschossen hat. Während Ward verhaftet wird, erhält Jef eine Medaille für Mut und Tapferkeit.

Rezension:

Es gibt Bücher, die legt man während des Lesens immer wieder mal aus der Hand, um sie sacken zu lassen. Ein solches Buch ist Els Beerten mit „Als gäbe es einen Himmel“ gelungen. Die Geschichte ist so komplex, dass es nahezu unmöglich ist, der Vielschichtigkeit in einer Besprechung wirklich gerecht zu werden. Es ist ein Roman, in dem es um Kriegsaufarbeitung, dem in der Jugendliteratur selten beschriebenen Stück Zeitgeschichte Belgiens im zweiten Weltkrieg, den bis in die Gegenwart reichenden Differenzen und der Verachtung zwischen Wallonen und Flamen geht, die Schwierigkeit, eine Liebe in Kriegszeiten zu erhalten, aber auch Freundschaft und Vertrauen, die Liebe zur Musik, das Verleugnen von Tatsachen und die folgenschweren Konsequenzen von Lügen und Verrat sind zentrale Themen. Die Protagonisten der Familie Claessen Jef, Renée, der jüngste Sohn Remi sowie Ward erzählen jeweils aus ihrer Perspektive und in wechselnden Zeitebenen. Die Charaktere sind in einer akzentuierten, schon fast nüchternen Sprache präzise ausgefeilt, die vielleicht gerade deswegen so trifft und bewegt. Sicher liegt es auch an der stimmigen Übersetzung von Mirjam Pressler. Die komplexe, mit vielen Facetten verwobene Handlung erfordert schon ein konzentriertes Lesen und Verfolgen der Handlung, was einige Jugendliche überfordern kann. Daher ist dieser Roman sicher mit dem Begriff des „all age“-Romans zu etikettieren. Obwohl viele Themen in diesem Buch eingearbeitet sind, ist keines davon nur oberflächlich angerissen, was schon eine große Leistung ist. Sie verzahnen sich perfekt ineinander und ergeben trotz der zahlreichen Perspektiv- und Zeitwechsel eine logische und klug durchdachte Struktur, die den Leser mit einer spannenden Dynamik von der ersten bis zur letzten Zeile bei der Geschichte hält. Besonders überraschend ist die der historische Einblick in das kleine Land Belgien mit den Spannungen zwischen Wallonen und Flamen, die noch heute an einigen Orten und im Miteinander zu spüren sind. Die Autorin hat nicht nur hier sehr viel Einfühlungsvermögen und Beobachtungsgabe gezeigt.

Insgesamt eine großartiger, vielschichtiger und intensiver Roman, der überraschend anders das Thema der Kriegsaufarbeitung thematisiert.

Sabine Hoß

Bewertung:

 

 

 

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