Jonne mischt sich ein

Sabine Neuffer

Thienemann, März 2012

192 Seiten, €  9,95

ab 10 Jahre

 

 

 

Inhalt:

Jonne ist mit seinem Vater vom Land in die Stadt umgezogen und muss sich als „der Neue“ auch in der Schule erst zurechtfinden. Auf Anraten seines Vaters beobachtet er erst einmal seine Klassenkameraden, damit er herausfindet, wer der Anführer ist und welche Gruppen es gibt. Schnell bemerkt Jonne, dass seine Klassenkameradin Charly von den meisten ausgeschlossen wird und sie Zielscheibe von Gemeinheiten ist. Zunächst versucht er mit Charly ins Gespräch zu kommen, was aber von ihr geblockt wird und Jonne auf Abstand hält. Er versucht bei den anderen herauszubekommen, warum sie Charly mobben, aber hier bekommt er ebenfalls keine Antwort. Allen voran ist es Mari und ihre Clique, die  Charly schikaniert, wann und wie es nur geht, sei es im Sportunterricht oder durch ein verschmiertes und komplett verklebtes Fahrrad. Durch einen Zufall trifft er Charly auf dem Bauernhof seiner Tante und ganz langsam fasst sie Vertrauen zu Jonne. Als Jonne sich in der Schule hinter Charly stellt, wird auch er Opfer heimtückischer Attacken. Anders als Charly spricht er aber mit seinem Vater über diese Vorfälle, doch wird sich durch das Eingreifen der Erwachsenen die Situation nicht noch verschlimmern?

 

Rezension:

Sabine Neuffer ist 2006 mit dem ersten „Projekt“-Buch, dem „Papa-Projekt“ (Dressler) der Protagonistin Nele bekannt geworden, dem noch zwei weitere Projektarbeiten („Oma“ 2007, „Geschwister“, 2009, Dressler) folgten. Diese und andere Bücher der Autorin haben einen humorvollen, leichten  Tonus und beschreiben wie „Chaos bei den Kallmanns“ (Thienemann, 2011) chaotisch-schräges (Patchwork-) Familienleben.

In diesem Buch widmet sie sich nun dem ernsten wie aktuellem Thema Mobbing. Die Autorin hat einen guten Blick für die meist hinterhältigen Attacken und weiß aus ihrem Erfahrungs-Fundus aus ihren Jahren als Grundschullehrerin zu schöpfen. In einer klaren Sprache gibt sie einen Einblick in einen ganz „normalen“ Schulalltag. und spart dabei nicht an berechtigter Kritik an ihren ehemaligen Lehrerkollegen- und Kolleginnen. So hat beispielsweise der Mathelehrer Herr Grossert nur spöttische und ebenfalls beleidigende Bemerkungen für Charlys Klassenkameraden, statt die offensichtlichen Übergriffe gegen sie anzusprechen oder besser noch aufzuklären. Oder die Klassenlehrerin Frau Bellmann, die über die Vorkommnisse, die ihr nicht verborgen bleiben, einfach hinwegsieht und viel zu spät nur recht bemüht eingreift. Leider ist es in der Tat so, dass viele Übergriffe von Schüler an Schüler so perfide ausgetragen werden, dass Lehrer manchmal nur etwas mitbekommen, wenn sie sehr aufmerksam, sensibel sind und dann noch das nötige Engagement zeigten. Als Jonne nach einer Weile zum ersten Mal bei Charly zu Hause ist, bekommt er einen Tee angeboten, was bei Erwachsenen sicher vorstellbar ist, bei Kinder dagegen doch wohl eher eine Cola oder Limo, Saft angesagt ist. Jonne wie Charly kommen aus sogenanntem „guten“ Hause, sind wohlerzogen und ihre Eltern kümmern sich liebevoll, auch wenn beide wegen ihrer Arbeit wenig Zeit haben. Manch wohlmeinendes Erziehungsgehabe ist betulich und bemüht gut situiert und damit nicht wirklich auf der Augenhöhe der Kinder. Die Tatsache, dass Jonne Charly auf dem Bauernhof seiner Tante wiedertrifft und dort die Chance bekommt, das Mädchen unbeschwert von dem ganzen belasteten Schulalltag neu kennenzulernen ist ein schöner Zufall, doch die Umstände sind fast schon zu schön. Nachvollziehbar wird dagegen die Entwicklung aufgebaut, wie Jonne sich hinter Charly stellt und offen seine Unterstützung zu ihr zeigt. Das zeigt seinen Charakter und Rückgrat. Da Jonne ein gutes Verhältnis zu seinem Vater hat und beide einen befreundeten Nachbarn haben, der auch noch zufällig Psychologe ist, hat er einen entsprechend starken Rückhalt, der ihn offen über die Mobbingattacken gegen Charly und später auch gegen ihn berichten lässt. Charly hingegen hat Angst, von den Mobbing-Übergriffen zu Hause zu erzählen, da sie der Meinung ist, dass ihre Eltern neben ihrem Beruf mit den kleineren Geschwistern schon genug Arbeit haben. Jonnes besonnener und engagierter Vater schafft es, positiven Einfluss auf Charly zu nehmen und sie davon zu überzeugen, dass es nicht ihre Schuld ist, dass sie so gemein von den anderen behandelt wird. Das ist soweit alles richtig und wird nahezu wunschgemäß aufgestellt. Auch der Auflösung mit den Gespräche mit Charlys Eltern und der Schuldirektorin und später der Sozialpädagogin kann man nichts entgegenstellen. Sicher ist es nicht alltäglich, dass sich Eltern von Mobbinganführern umgehend telefonisch bei ihren Opfern oder deren Eltern entschuldigen. Hier war wohl mehr der Wunsch Vater des guten Gedanken. Der Mobbing-Grund in dieser Geschichte ist der Notendruck durch die Eltern der Anführerin und damit ziemlich klar und eindeutig. Oft ist er aber vielschichtiger und komplizierter. Die Aufzählung der Direktorin Frau Kamprath  von einer „Reihe von Maßnahmen“, die nach Bekanntgabe der Mobbinganführer durchgeführt werden sollen, wie auch Charlys Bericht über die Gespräche mit der Sozialpädagogin und welche Einsichten sie dadurch erfahren hat, sind inhaltlich alle korrekt. Doch leider werden diese Gesprächsinhalte in einer sehr trockenen, lehrbuchartigen, ja man möchte sagen pädagogisch-wertvollen, Sprache verpackt, für die sich kein 10-jähriger begeistern wird, noch bleiben sie in dadurch in Erinnerung. Die Tatsache, dass Charly nach wenigen Gesprächen mit der Sozialpädagogin relativ schnell wie ausgewechselt erscheint, mit neuem Outfit und neuer Frisur im alten Klassengefüge erscheint, dass sich ebenfalls plötzlich gewandelt hat, ist ziemlich realitätsfern. Meist sind die Wunden der Mobbingverletzungen sehr tief und es braucht viel Zeit und Ruhe, bis wieder ein wenig (!) Selbstbewusstsein und Vertrauen aufgebaut ist. Ein mobbendes Klassengefüge, das aus aktiven Mitmachern und stummen Wegsehern besteht, innerhalb kurzer Zeit auf den Weg in eine harmonische Normalität zu bringen ist sicher sehr wünschenswert, realistisch ist er eher nicht.

Trotz aller Kritik merkt man Sabine Neuffers Engagement für dieses wichtige Thema. Sie hat das Mobbing-Beispiel so beschrieben, wie man sich im Idealfall eine Lösung wünschen würde. Leider rutscht die Sprache immer wieder in einen moralisierenden und zu erwachsenen Ton ab, der eher nervt als sensibilisierend anspricht. Dennoch macht dieses Buch Mobbingopfern Mut, sich ihren Eltern oder einem Lehrer ihres Vertrauens zu öffnen und zeigt, dass nicht sie die Schuld an den gemeinen Übergriffen haben, sondern die anderen.

Sabine Hoß

Bewertung:

 


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