Stadt aus Trug und Schatten

Mechthild Gläser

Loewe, Januar 2012

416 Seiten, € 17,95

ab 13 Jahre

 

 

 

Inhalt:

Flora Gerstmann lebt in Essen und kämpft sich durch das typisch chaotische Leben einer 17-jährigen. Nicht wesentlich erleichtert werden die kleineren und größeren Probleme durch die Tatsache, dass sie mit ihrem Vater alleine lebt, der ein Aquaristikfachgeschäft betreibt, das allerdings mehr schlecht als recht läuft. Zu allem Überfluss füllt er auch die die Wohnung mit Aquarien. Da die Fische sehr wertvoll sind und geschützt werden müssen, darf Flora niemals eine Freundin oder Freund mit nach Hause bringen. Seit dem Tod ihrer Mutter lebt Christabel als Haushälterin bei den beiden und soll eigentlich für Ordnung sorgen, was ihr aber nicht wirklich gelingt. Als Flora eines Tages von der Schule nach Hause kommt, haben ihr Vater und Christabel eine Überraschung für sie: Marian Immonen ist ein Austauschschüler aus Finnland und soll die nächsten Monate bei ihnen wohnen. Flora weiß überhaupt nicht, was sie davon halten soll, schließlich durfte bisher kein anderer die Wohnung betreten. Auch die dürftige Erklärung ihres Vaters, dass sie als Gastfamilie einen Geldzuschuss bekommen, was der angeschlagenen Haushaltskasse zugutekommt, überzeugt Flora nicht wirklich. Doch das ist nicht die einzige neue Situation, mit der Flora konfrontiert wird. Sie sieht tagsüber schwarze Schatten, die Flora zunächst für optische Täuschungen hält, weil nur sie sie wahrnimmt. Als sie nachts während des Schlafs in einer anderen Welt aufwacht, stellt Flora fest, dass ihre Seele in zwei Welten lebt. In der realen und in der Stadt Eisenheim. Die Stadt der wandernden Seelen ist farblos, es gibt Zeppeline und Droschken als Fortbewegungsmittel und merkwürdige Gestalten begegnen ihr dort. Nacht für Nacht rutscht Flora nun immer tiefer in das Leben dieser Stadt hinein, in der die Gesetzte von Zeit und Raum nicht gelten. Soldaten auf geflügelten Pferden tauchen immer wieder auf und versetzen Flora in Angst und Schrecken. Die meisten Menschen, die in Eisenheim leben, sind sogenannte Schlafende, denn sie schlafen und träumen in der Realität weiter. Nur wenige wie Flora sind Wandernde, die sich auch am Tage an diese Stadt und an ihr zweites Leben erinnern. Doch Flora kann sich nicht erinnern. Aber sie muss sich erinnern, denn sie hat einen magischen Stein, den weißen Löwen, gestohlen und an einen geheimen Ort gebracht. Jetzt soll sie diesen Stein wiederholen, denn die Zukunft von Eisenheim hängt von diesem Stein ab. Flora ist verzweifelt über all diese neuen Tatsachen, von denen sie so wenig versteht. Auch Marian gibt es in Eisenheim und will ihr gerne helfen. Kann sie ihm vertrauen und wem kann sie überhaupt vertrauen?

Rezension:

Schlafenden Menschen ihre Kraft zu nehmen und diese anderweitig zu ge- oder missbrauchen, ist der Welt der Fantasy nicht wirklich neu. Originell dagegen ist der Handlungsort der realistischen Ebene nach Essen und damit mitten in den Ruhrpott zu legen, der so gut wie nie die Möglichkeit hat, sich gegen die Trendstädte Berlin, Hamburg oder München durchzusetzen. Mechthild Gläsers Sprache zeigt einen ironischen Biss, der erfrischend witzig und dem Jugendjargon nahe ist, ohne anbiedernd zu wirken. Allerdings häufen sich die Satzanfänge mit „Äh…“, dessen Äußerung von spontaner Ahnungslosigkeit und Irritation bei den ersten Malen noch amüsant ist, doch mit zunehmenden Wiederholungen einfach nur noch nerven und man sich hier eine stilistische Korrektur gewünscht hätte. Geschickt wechselt die junge Autorin die beiden Welten und Erzählebenen ab und führt den Leser mit bilderreichen und detaillierten Beschreibungen in ein Eisenheim, das man trotz seines Einheitsgraus lebendig vor Augen hat. Es ist eine  farblose Stadt, die mit Zeppelinen, Droschken und anderen merkwürdigen technischen Gerätschaft gefüllt ist und damit Steampunk und Fantasy gelungen verbindet.Die Konstruktion der Schlafenden, Wandernden ist in Teilen zu verschachtelt und unübersichtlich und die in der ich-Form erzählende Protagonistin sagt nicht umsonst ein ums andere Mal, dass es ihr schwer fällt, alles zu verstehen und sich überfordert fühlt. Das liegt nicht zuletzt an den sicher interessanten, skurrilen Figuren, die zahlreich eingeführt werden, aber zum größten Teil leider nur oberflächlich bleiben. So wird zum Beispiel ein Heliometer eingeführt, eine Kugel, die Flora mit Wärme in dem ansonsten kalten Eisenheim versorgen soll, die aber ansonsten keine weitere oder besondere Bedeutung in der Handlung hat. Auch die Figuren Amé oder Fluvius Grindeaut bleiben nur flüchtig skizziert. Natürlich gibt es auch in dieser Story den sogenannten „love interest“ zwischen Marian und Flora, der ein wenig bemüht angelegt ist und dessen Ende offen bleibt, was nicht weiter betrübt.

Auch wenn sich das Buch flüssig lesen lässt und die Spannung mit kleinen Längen gehalten wird, bleibt vieles an Handlungsstränge sowie Figuren zu oberflächlich und nur angerissen, bei dem man sich mehr Tiefe und Klarheit gewünscht hätte. Als Floras Freunde auch in die Welt Eisenheims eingebunden werden, fängt die Story an undurchsichtig und schwammig zu werden. Das ist schade, denn in dem Debüt stecken viele kleine originelle Einfälle, eine muntere, ironische Sprache und ein interessanter Plot, doch leider erscheint von einigem zuviel und von Wichtigem zu wenig.

Sabine Hoß

Bewertung:

 

 

 

 

 

 

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