Königin des Sprungturms

Königin des Sprungturms KLEIN

Martina Wildner

Beltz & Gelberg, März 2013

216 Seiten, € 12,95

ab 11 Jahre

 

 

 

Martina Wildner hat in Ihrem neuen Roman den Leistungssport als Rahmenhandlung zugrunde gelegt. Doch das Buch bietet weitaus mehr, als den kritischen Blick auf hartes Training und Drill, es ist auch eine Geschichte, in der es um Freundschaft geht und die lebenslang begleitende Frage, warum mache ich das, was ich mache (hier der Sport) und habe ich Spaß daran? Nadja und Karla sind zwölf Jahre alt, wohnen Wand an Wand in einer Plattenbausiedlung und sind vor sechs Jahren als Talente für den Wassersprungsport gesichtet worden. Seit zwei Jahren besuchen sie gemeinsam eine Sportschule. Für beide steht damit der Sport an erster Stelle. Karla ist aus dem Jahrgang die ungekrönte Göttin des Sprungturms. Obwohl sie die schwierigsten Sprünge mit Leichtigkeit meistert, freut sich Karla kaum merkbar über ihre Erfolge. Gefühle zu zeigen, fällt ihr unheimlich schwer. Karla wird Nadja später erklären, dass sie „immer das Gefühl hatte, in jedem Sprung ein ganzes Leben zu packen.“ Nadja bemüht sich sehr um sie und stellt sich dabei selbst in den Hintergrund, ohne dass das ihr zunächst bewusst ist. Leicht hat sie es nicht mit Karla, die kaum mit ihr spricht, auch nicht, als ihre Mutter einen neuen Freund hat. Karla ist außer sich vor Wut und Enttäuschung und reißt sogar deswegen von zu Hause aus. Nadja glaubt zu wissen, wo sie ihre Freundin findet und behält Recht. Karla gibt dem Freund ihrer Mutter die Schuld am Tod ihres Vaters, mehr will sie dazu erst einmal nicht sagen. Als mit Nadja an Stelle der erkrankten Karla ein Zeitungsinterview mit Fotos geführt wird, stellt der Journalist ihr die Frage, was Nadja an Wasserspringen so gefällt. Diese Frage bringt sie völlig aus dem Konzept. Bis zu diesem Moment hat Nadja nie darüber nachgedacht, warum sie das macht oder einen besonderen Ehrgeiz entwickelt. Als Kind wurde sie als Talent gesichtet wurde, entschied die Mutter, daß Wasserspringen der geeignetere Sport für sie sei, obwohl sie selber viel lieber Handballerin geworden wäre. Als Karla Nadja ihren „persönlichen Rucksack“ weitergibt, wird Nadja zum ersten Mal bewusst, warum sie so hart trainiert und auf vieles verzichtet, was andere Jugendliche in dieser Zeit erleben. Karla beginnt sich von ihrer seelischen Erschütterung zu lösen, was aber dazu führt, dass sie sich von ihrem Sport trennt, um das Leben einfach mit anderen Dingen zu genießen, fernab von Talent und Leistungsdruck. All das erzählt Nadja in einer sachlichen und doch lebendigen Sprache, die offen, manchmal kühl und aber auch fragend, humorvoll und traurig den Leser in ihre Welt schauen lässt. Martina Wildner versteht es hervorragend, die merkwürdige und unterschiedliche Beziehung zwischen den beiden Mädchen, den Druck auf die jungen Leistungssportlerinnen und das nicht verarbeitete Trauma von Karla in einen spannenden und logischen Kontext zu bringen. Dabei gelingt es ihr ebenso gut, die unterschiedlichen Familienverhältnisse von Nadja und Karla transparent und nachvollziehbar zu machen. Bei den verschiedenen aufgegriffenen komplexen Themen von Freundschaft, Familien, dem Konkurrenzdruck in einer Sportschule hätte es durchaus passieren können, dass die Handlung sich zerfranst und manches oberflächlich bleibt. Doch genau das hat Martina Wildner in einer kompakten Geschichte meisterhaft zusammengeführt und Tiefe gegeben.

Karla ist die Königin/Göttin des Sprungturms, doch die eigentliche Heldin dieses Romans ist Nadja, die es sich nicht einfach macht, aus dem Schatten ihrer Freundin und Vereinskameradin herauszutreten und sich bewusst zu machen, warum sie so hart trainiert. Ob die Freundschaft zwischen den Beiden eine Zukunft hat, bleibt offen, was logisch und konsequent ist.

Mit diesem Buch hat Martina Wildner wieder einmal ihre talentierte und facettenreiche Bandbreite als Autorin präsentiert, die u.a. mit „Jede Menge Sternschnuppen“ 2003 den Peter-Härtling-Preis bekam und 2012 in der Kategorie Kinderbuch für „Das schaurige Haus“ nominiert war.

Das Cover ist treffend, wobei die Badekappen antiquiert sind, denn die meisten Wasserspringer springen mit wallender Haarpracht.

Sabine Hoß

Bewertung:

Ein Interview mit der Autorin zu diesem Buch findet Ihr hier:

 

 

 

 

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