Mädchen, Frau etc.

Bernardine Evaristo

Aus dem Englischen von Tanja Handels

512 Seiten, € 25,00

Tropen Verlag (Klett-Cotta), Januar 2021

 

 

 

Bernardine Evaristo, geboren 1959 ist Professorin für Kreatives Schreiben an der Brunel University in London und stellvertretende Vorsitzende der Royal Society of Literature. Für „Mädchen, Frau etc.“ wurde sie als erste schwarze Schriftstellerin 2019 mit dem „Booker“-Preis ausgezeichnet.

Eine richtige Handlung oder Plot besitzt das Buch nicht, es ist eine Aneinanderreihung und raffinierte Verknüpfung verschiedener Lebensgeschichten. In fünf Kapitel und einem Epilog lässt die Autorin zwölf britische Frauen aus ihrem Leben erzählen. Jedes Unterkapitel ist einer Frau gewidmet, die hetereo, lesbisch, trans oder non-binär ist, wobei die meisten ihre Wurzeln in Afrika haben, andere sind Weiß. Die einzelnen Unterkapitel werden jeweils einer Frau und ihrem Leben gewidmet und Bernardine Evaristo gelingt es mühelos, diese zwölf Frauen, von denen die meisten sich kennen, in in ihren Beziehungen zu einem roten Faden zusammenzuführen. Beim letzten Kapitel war mir allerdings das Zusammenführen einiger Frauen zur Abschlussfindung zu hölzern und mit Tempo konstruiert.

Am Anfang des Buches lernt man die lesbische Theaterregisseurin Amma kennen, die kurz vor der Premiere ihres Theaterstückes „Die letzte Amazone von Dahomey“ am National Theatre in London steht und mit ihr schließt auch das Buch. Dazwischen gibt es ein Kaleidoskop bunter Lebensgeschichten von Frauen, die mehrere Generationen umfassen und bis ins 19. Jahrhundert zurück gehen. Sie erzählen von Lebenskämpfen, Feminismus, Rassismus, manche voller Wut, Trotz und Trauer, andere berichten von Ankommen, Zufriedenheit und Glück. Die Autorin verzichtet dabei bewusst auf Anklagen, Schwarz-Weiß-Sehen und ebenso auf Klischees. Oft werden aktuelle politische und gesellschaftskritische Gegenwartsthemen in Dialogen der Protagonistinnen beleuchtet und diskutiert.

Bernardine Evaristo bedient sich eines ungewöhnlichen Schreibstils, indem sie auf Interpunktion verzichtet und Satzanfänge kleinschreibt, was die Autorin als „fusion fiction“ bezeichnet. Man liest sich jedoch schnell und leicht in diesen Stil rein, wobei ihre Sprache warmherzig, humorvoll, auch bissig-ironisch ist.

Ein komplexes Buch (nicht nur für Frauen!) mit eng verbundenen Lebensgeschichten von zwölf Frauen, die von weiblicher Diversität voller Lebenskraft, Dynamik und verschiedenen Familienkonstrukten in einer zeitlichen Spannweite von der Gegenwart bis ins 19. Jahrhundert erzählen.

Sabine Wagner

 

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