Hundewinter

K.A. Nuzum
Aus dem Englischen von Gerda Bean
Umschlagillustration von Cornelia Haas
Carlsen, Oktober 2010
208 Seiten, € 12,90
ab 10 Jahre

Inhalt:

Es ist Winter und der Schnee liegt meterhoch. Dessa Dean lebt mit ihrem Vater in einer einsamen Hütte fernab der Zivilisation. Eines Tages liegt ein großer Hund auf der Veranda. Zunächst verscheucht ihn Dessa Dean, worüber sie sehr traurig ist. Nach langem Warten kehrt der Hund aber zurück und ein sehr zögerliches, ängstliches Nähern von beiden Seiten entwickelt sich. Als ein hungriger Bär eines Nachts in die Hütte eindringt, verteidigt der neue Freund Dessa Dean und verjagt den Bär aus der Hütte in den Wald. Eine blutige Spur bleibt zurück und Dessa Dean hat große Angst um den Hund. Um herauszufinden, ob er verletzt ist, muss sie die Hütte verlassen, was bisher für sie ein unmöglicher Schritt ist.

Rezension:

Es braucht manchmal gar keine spektakulären Cover, um sich als ein „besonderes“ Buch herauszuheben. Die Umschlagillustration von Cornelia Haas zeigt mit den dichten, wirbelnden Schneeflocken, einer hohen Schneedecke in einem einsamen Wald, einem dick eingemummelten Kind, dass ganz eng von einem großen Hund geführt wird, eine sehr atmosphärische, einsame Winterstimmung. Eine weitere Aufmerksamkeit ist der gelbe Leinenrücken, der die besondere Ausstrahlung des Umschlagbildes unterstreicht.
Die einsame Winterstimmung wird aber auch in der Geschichte fortgesetzt. Dessa Dean lebt mit ihrem Vater in einer Holzhütte, irgendwo fernab jeder Zivilisation. Die Mutter ist vor siebenundvierzig Tagen erfroren. Dessa Dean war dabei, konnte jedoch nichts tun und sie selbst wurde in letzter Sekunde von ihrem Vater gefunden. Seitdem kann sie ihre Hütte nicht weiter als bis zum Rand der Veranda verlassen. Durch Erfrierungen an den Ohren hat sie große Schmerzen. Die körperlichen und seelischen Schmerzen werden dadurch verstärkt, dass Weihnachten vor der Tür steht. Wunderbar auch die Beschreibung des von der Mutter selbst genähten Adventskalenders, aus dem man kein Geschenk nimmt, um die Zeit zu verkürzen, sondern jeden Tag ein Stück hinzufügt um am Heiligen Abend ein komplettes Krippenbild zu haben. K.A. Nuzum beschreibt dies alles in einer sehr ruhigen, schlichten, klaren aber sehr warmherzigen Sprache, ohne in Kitsch oder Rührseligkeit zu verfallen. Sie beschreibt sehr genau, mit welch primitiven Mitteln Dessa Dean in der Hütte lebt, sorgt und Nahrungsmittel zubereitet, ohne dass es ermüdet. Immer wieder wiederholt sie, wie sehr die wärmende Mütze das Mädchen auf dem Kopf quält, weil sie furchtbar kratzt, aber den schmerzenden Ohren den nötigen Schutz bietet. Diese Wiederholungen könnten langweilig wirken, das tun sie aber nicht, weil sie am Ende der Geschichte zu einer wunderbaren Erklärung führt. Als ein großer Hund plötzlich auf der Veranda liegt, fällt Dessa Dean durch Unachtsamkeit über ihn und verjagt ihn damit. Nach langem verzweifelten Warten kehrt er aber wieder zur Hütte zurück. Schritt für Schritt nähern sich die beiden ängstlichen, unsicheren Parteien. Auf der einen Seite die traurige, unsichere aber auch sture und eigenwillige Dessa Dean, auf der anderen Seite der hungrige, verletzte Hund, der aber auch seinen Eigensinn zeigt. Beide müssen dabei Kompromisse schließen. Doch da ist noch Dessa Deans Vater, der dem Hund sehr kritisch gegenübersteht. Ein weiterer Esser mehr, wo so schon die Nahrungsmittel sehr knapp sind. Er muss von Dessa und dem Hund überzeugt werden. Als eines Nachts ein hungriger Bär in die Hütte eindringt, rettet der Hund Dessa, in dem er den Bär aus der Hütte in den Wald jagt. Zurück bleibt eine blutige Spur, von der Dessa vermutet, dass sie von ihrem Hund stammt. Jetzt will sie ihn retten, aber dafür muss sie die Hütte und den Verandarand verlassen.
Unaufgeregt und dennoch einfühlsam prägnant erzählt die Autorin die Entwicklung von dem ängstlichen Mädchen zu einer sturen, eigenwilligen, die über ihren Schatten springen muss, um ihren neuen Freund zu retten.
Auffallend ist, dass es in dieser Geschichte keinen Anhaltspunkt gibt, in welcher Zeit sie handelt. Sie könnte in der Gegenwart wie auch vor vierzig Jahren passiert sein, was wiederum eine stilistische Besonderheit ist.
Ein Lob auch an Gerda Bean für ihre feine Übersetzung.

Auch wenn dieses Buch vielleicht für das ein oder andere Kind nicht genug „Action“ bietet, ich sicher kein Freund des Winters bin und mit großen Hunden meine liebe Not habe, finde ich diese Geschichte in ihrer ruhigen, warmherzigen Sprache und tiefsinnigen Nachhaltigkeit sehr berührend, ohne dass sie in Kitsch verfällt.

Sabine Hoß

Bewertung:

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