Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an Dir vorbei, sagen sie

Lauren Oliver

aus dem Englischen von K. Diestelmeier

Carlsen, September 2010

448 Seiten, € 19,90

ab 12 Jahre

Inhalt:

Was wäre, wenn heute dein letzter Tag wäre? Was würdest Du tun?

Wen würdest du küssen? Wie weit würdest Du gehen, um dein oder das Leben eines anderen zu retten?

Samantha Kingston und ihre drei besten Freundinnen sind ein eingeschworenes Team auf der Thomas-Jefferson-Highschool. Sie geben in ihrer extrovertierten und respektlosen Art den Ton an, wer oder was angesagt ist oder nicht. Am 12. Februar, dem Valentinstag, dreht sich natürlich alles um die Liebe. Eine große Party ist angesagt, „das erste Mal“ steht Samantha mit ihrem Freund Rob bevor. Doch sie ist nicht wirklich von dieser Beziehung überzeugt und verlässt frühzeitig die Party mit ihren Freundinnen. Dieser Valentinstag ist Samanthas letzter Tag, denn sie stirbt auf dem Heimweg durch einen Verkehrsunfall. Am nächsten Morgen wacht Samantha auf und es ist wieder der Morgen des 12. Februar. Siebenmal wird sie immer wieder am Anfang dieses Tages stehen und gezwungen sein, ihn zu durchleben aber auch die Möglichkeit haben, ihn zu verändern. Zunächst konzentriert sie sich darauf, ihr eigenes Leben zu retten. Doch im Laufe der Wiederholungen begreift Sam, dass es gar nicht darum geht.

Rezension:

Zunächst erscheint Samantha wie ein oberflächlicher, überdrehter amerikanischer Teenager. Mit ihren Freundinnen Lindsay, Ally und Elody gehört sie zu einer der beliebtesten Schülerinnen der Schule. Sie sind frech, den Mitschülern gegenüber respektlos und soziales Verhalten oder Miteinander ist für sie ein Fremdwort. Die zurückgezogene Juliet ist eines ihrer Lieblingsopfer, genauso ihr Klassenkamerad Kent, der sich in Samantha verliebt hat, von ihr aber nur grob abgelehnt wird.  Als in der Schule Valentinstagsrosen verteilt werden, gibt es für diese beiden Schüler nur demütigende, verspottende Grüße. Bei den Mädels dreht sich hauptsächlich alles um Liebe, Sex und Klamotten und jede Menge Spaß haben, am besten auf Kosten anderer. Sam beginnt zu zweifeln, ob alles in ihrem Leben wirklich so glatt läuft. So steht die erste Nacht mit ihrem angesagten Freund Rob auf dem Plan. Sie glaubt, dass sich echte Liebe irgendwie anders anfühlen müsste. Auch wenn sich bisher vieler Klischees bedient werden, bekommt die Geschichte eine Wendung, als Samantha nach ihrem tödlichen Autounfall immer wieder am Morgen ihres letzten Tages in ihrem Bett aufwacht. Man wird sofort an den Kinofilm „Und täglich grüßt das Murmeltier“ erinnert und doch ist es anders. Die einzelnen Charaktere von Sam, ihren Freundinnen, wie auch dem eigenwilligen Kent und der undurchsichtigen Juliet bekommen von einer Wiederholung zur nächsten immer mehr Tiefe und Transparenz. Nach der ersten Hilflosigkeit, immer wieder am Morgen ihres letzten Tages aufzuwachen, überdenkt Samantha ihre eigene Handlungsweise und die ihrer Freundinnen. Sie verändert an jedem neuen Tag Details und stellt fest, wie sehr diese Veränderungen das Handeln der anderen beeinflusst. Dabei entwickelt sie ihre eigene Persönlichkeit, und es wird sichtbar, warum ihre Freundinnen so überspannt agieren. Samantha stellt ihr eigenes Handeln und das ihrer Clique immer mehr in Frage und stellt fest, dass sie sich von dem bisher verspotteten Kent angezogen fühlt.  Die Autorin schafft es in einem packenden Handlungsbogen mit immer wieder anderen Beschreibungen siebenmal einen Tag neu darzustellen, der nur an wenigen Stellen die Balance verliert. Die Geschichte verbindet auf vielschichtige Weise und in lockerer Sprache das aktuelle Thema Mobbing, Ausgrenzung mit der Identitätssuche von Sam.

Ein beeindruckendes Debüt einer jungen Autorin. Man darf gespannt auf weitere Werke von Lauren Oliver sein.

Auch wenn der Leser nicht die Möglichkeit hat, einen Tag zu wiederholen, macht das Buch sensibel, einen täglichen Blick auf sein eigenes Tun und Verhalten im Kontext zu seinem Gegenüber zu werfen.

Sabine Hoß

Bewertung:

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