Annes Baum

Irène Cohen-Janca – Maurizio A.C. Quarello

Aus dem Französischen von Tobias Scheffel

Gerstenberg, Juni 2011

40 Seiten, €  13,95

ab 8 Jahre

 

 

Inhalt:

Ein alter Kastanienbaum, der viele Jahre im Garten zwischen der Keizersgracht und Prinsengracht in Amsterdam gestanden hat, erzählt aus seiner Sicht einen kleinen Einblick in Anne Franks Leben. Durch eine Dachluke schaute Anne zwei Jahre lang auf diesen Baum, während sie sich in einem Hinterhaus vor den Nazis versteckte. Die Kastanie war für Anne die einzige Verbindung zur Natur, die einzige Möglichkeit das Wechselspiel der Jahreszeiten zu beobachten, darüber schrieb sie auch in ihrem Tagebuch. Wie die Verwandlung des kahlen Winterbaumes in einen mit frischem Blätterwerk und neuen Kräften im Frühjahr, so schenkt er auch Anne ein wenig Hoffnung. Die Hoffnung, im nächsten Frühjahr wieder frei zu sein.

Rezension:

Zugegeben, ich war schon sehr skeptisch, als ich in der Verlagsvorschau las, dass ein alter Kastanienbaum von Anne Frank erzählt. Ist es wirklich notwendig, dieses Zeitdokument zu erweitern, indem man Bäume sprechen lässt? Ob es wirklich notwendig ist, bleibt weiter dahingestellt. Dieses erzählerische Bilderbuch überzeugt aber eindrucksvoll, denn es ist weder ein Abklatsch noch eine schlechte Kurzfassung von Anne Franks Geschichte.

In kurzen, prägnanten Sätzen stellt sich der Kastanienbaum vor, begleitet von schwarz-weiß Zeichnungen, die mit wenigen, dafür akzentuierten Farben auskommen. Die Illustrationen haben bei Darstellungen aus der Natur einen ganz feinen Strich, zeigen aber auch in dunklen Szenen die beklemmende Hilflosigkeit, Angst und die Macht der herrschenden Nazis. Die Sprache ist ruhig und klar und spannt auf beeindruckende Art und Weise den Bogen vom sprechenden Baum zum bedrückenden, einsamen Leben von Anne in ihrem Versteck. Der Kastanienbaum erzählt nicht nur von den Gedanken, Träumen und Hoffnungen Annes, er erklärt auch, warum sie sich überhaupt verstecken musste. Das Buch ist an keiner Stelle kitschig, sondern durch die hervorragende Balance zwischen Distanz und Nähe der klaren Erzählungen und bewegenden Zeichnungen ein eigenständiges „Kunstwerk“.

Mit diesem Bilderbuch kann man schon Grundschulkindern einen ersten Zugang zu der Lebensgeschichte von Anne Frank ermöglichen, ohne sie zu überfordern. Es bietet eine Chance, Kinder für ein nicht zu vergessendes Stück Geschichte zu sensibilisieren und ihnen deutlich zu machen, welche grausame Folgen rassistische Ausgrenzungen haben.

Meine Skepsis zu Beginn hat das Buch überzeugend widerlegt.

Ein Lob auch an den Übersetzer Tobias Scheffel, der den richtigen Ton mit feinen Nuancen getroffen hat.

Sabine Hoß

Bewertung:

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