Ich gegen Dich

Jenny Downham

Aus dem Englischen übersetzt von Astrid Arz

carl`s books – C. Bertelsmann Verlag

384 Seiten, € 15,50

Jugendbuch ab 14 Jahre

 

 

Inhalt:

Mickey schwört Rache, seitdem er erfahren hat, dass seine 15-jährige Schwester Karyn auf einer Party von Tom, einem verwöhnten Sohn wohlhabender Eltern, vergewaltigt wurde. Unterstützt wird er von seinem besten Freund Jacko, mit dem Mickey zusammen in einem Pub arbeitet und von einer Karriere als Koch träumt. Mit diesem Job unterstützt er seine Mutter, die alkoholkrank zu Hause ist, und seine kleine Schwester Holly und Karyn. Für seine Geschwister ist Mickey der ruhende Pol, der sie irgendwie über Wasser hält und sich mehr recht als schlecht um Aufgaben kümmert, die eigentlich in den Verantwortungsbereich der Mutter gehören. Um ihr Rachevorhaben umzusetzen, schmuggeln sich Jacko und Mickey auf eine Party, die Tom`s Eltern im großen Stil ausrichten, um die Unschuld ihres Sohnes gesellschaftlich in Szene zu setzen. Eigentlich hat Mickey vorgehabt, Tom zusammenzuschlagen, doch als er seine jüngere Schwester Ellie kennenlernt, beginnt er mit ihr einen Flirt und die tatkräftigen Rachegelüste geraten für einen Moment in den Hintergrund. Aus dem harmlosen Flirt entwickelt sich für beide mehr.  Ellie ist für Mickey das erste Mädchen, in das er sich ehrlich verliebt. Diese unerwartete Entwicklung stellt beide vor schwere Gewissenskonflikte: Soll Mickey der ersten wahren Liebe eine Chance geben oder er hält er zu seiner Schwester und Opfer? Wie entscheidet sich Ellie, als sie herausbekommt, in wen sie sich verliebt hat und wie hält sie den Druck ihrer Eltern aus, die sie instruieren und instrumentalisieren, um mit ihrer Zeugenaussage die Tat ihres Bruders zu leugnen?

Rezension:

Die Autorin Jenny Downham hat mit ihrem ersten und bisher einzigem Buch 2008 „Bevor ich sterbe“ internationale Erfolge gefeiert und auch mich begeistert. Immer dann, wenn schon ein Debüt einen großen Erfolg feiert, ist man auf das nächste Werk skeptisch und kritisch gespannt, was natürlich auch den Autor/die Autorin unter einen gewissen Erfolgsdruck bringen kann. Zwei bzw. drei Jahre später (das Original erschien bereits 2010) erscheint nun ihr zweites Werk, das im Großen und Ganzen an den Erfolg ihres Debüts anschließen kann.

Mit dem ersten Satz steckt man bereits mitten in der Geschichte, die in zwei unterschiedliche Milieus führt und dabei keine übertriebene Attitüden oder nichtssagenden Plattitüden benötigt, um die jeweilige Atmosphäre beschönigend oder entstellend zu beschreiben. In einer sensiblen, poetischen aber auch gleichzeitig nüchternen, klaren Sprache hat Jenny Downham das Innenleben ihrer Charaktere mit all ihren Entwicklungen und inneren Kämpfen fein nuanciert herausgearbeitet. Sie verzichtet auf eine glatte Schwarz-Weiß-Denke von Gut und Böse und stellt die Protagonisten nicht bloß. Der Vergewaltiger Tom Parker ist nicht nur der verwöhnte, eingebildete Sohn reicher Eltern; er zeigt sich auch als liebevoller Bruder, der seit dem Umzug aus London um Anerkennung und Freunde kämpft und letztendlich auch mit Lügen und der Wahrheit hadert. Ellie muss sich als Tochter aus gutem Hause zwischen der Solidarität zur Familie und den Verzicht auf falsche Aussagen entscheiden. Der Vater übt einen unheimlichen Druck auf sein „Team“ Familie aus, damit das Ansehen für Sohn und Familie nur ja in keinster Weise verletzt wird, was in seiner Art widerlich erscheint, auf gewisse Weise auch nachvollziehbar ist. Die Mutter Parker bemüht sich um kritische Distanz, was ihr aber durch den Druck ihres Mannes schwer gemacht wird. Mickey ist nicht nur der fürsorgliche, rächende Bruder, sondern auch ein junger Mann, der zum ersten Mal das Gefühl echter Liebe kennenlernt und dafür kämpfen muss. Dieser Konflikt stellt Mickey wie Ellie vor schweren Entscheidungen, die ihr bisheriges Lebensbild beeinflussen und verändern. Das Opfer Karyn bleibt leider blass und unscharf, auch der alkoholkranken Mutter hätte etwas mehr Tiefe und Hintergrund gut getan. Dieses Defizit macht jedoch die Spannung wieder wett, die durch den klug durchdachten Handlungsaufbau mit all seinen Verstrickungen und Entwicklungen die Dynamik bis zum Schluss perfekt hält. Das liegt sicher auch der überzeugenden Übersetzung von Astrid Arz, die bereits das erste Buch hervorragend übersetzt hat.

Überhaupt nicht überzeugend und für meinen Geschmack völlig daneben ist allerdings das Cover, das das behandelnde Thema weder mit Originalität noch mit Feingefühl präsentiert. Hier frage ich mich wieder mal, wie viel Artdesigner wirklich vom Inhalt eines Buches wissen…

Ein unprätentiöser Roman in einer klaren wie poetischen Sprache über Lügen, dem Mut zur Wahrheit und Bekenntnis zu einer Liebe zwischen verschiedener sozialer Schichten, der weibliche wie männliche Leser bewegen und faszinieren wird.

Sabine Hoß

Bewertung:

 

 

 

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