Rico, Oskar und der Diebstahlstein

Andreas Steinhöfel

Carlsen, September 2011

336 Seiten, € 12,90

ab 10 Jahre

 

 

Inhalt:

Der tiefbegabte Rico und sein bester Freund, der hochbegabte Oskar finden den alten Fitzke, der in ihrem Haus lebt, im Schlafanzug, vor seiner verschlossenen Wohnungstür liegend. Leider schläft er ziemlich tief und fest, er ist nämlich tot. Zur großen Erleichterung von Rico hat er dabei die Augen geschlossen. Fitzke hinterlässt Rico sein Lebenswerk: Seine umfangreiche Steinsammlung und für Rico damit eine große Aufgabe. Während Oskar noch dazu rät, den letzten Willen von Fitzke nicht so ernst zu nehmen und die Steine einfach auf den Müllkippe zu werfen, besinnt sich Rico seiner Verantwortung; auch wenn er zunächst nicht weiß, wo er all die unzähligen Kartons unterbringen soll. Als die beiden spätabends beobachten, dass ein Unbekannter in Fitzkes Wohnung eindringt, werden sie hellhörig. Rico bangt um seine Steine und Oskar hofft auf ein spannendes und gruseliges Abenteuer wie im Film „Schweigen der Lämmer“. Da Fitzke kein wohlhabender Mann gewesen war und folglich außer seiner Steinsammlung keine wertvollen Gegenstände in der Wohnung waren, gehen die beiden Freunde dem mysteriösen Einbrecher auf die Spur. Die Detektivarbeit führt sie auf eine ziemlich abenteuerliche Weise bis an die Ostsee, wo sie sich nicht nur den Herausforderungen eines FKK-Strandes stellen müssen.

Rezension:

Fortsetzungen eines bereits preisgekrönten Debütromans („Rico, Oskar und die Tieferschatten“ erhielt 2009 den Deutschen Jugendliteraturpreis in der Sparte bestes Kinderbuch) hadern meist mit gleichbleibender Qualität. Nicht so die dritte Geschichte mit dem so unterschiedlichen und gerade deswegen so hervorragend ergänzendem Duo des tiefbegabten Rico und dem hochbegabten Freund Oskar. Der Lese- und Vorlesegenuss  ist wie bei den ersten beiden Bänden hoch angesetzt, auch wenn die Entwicklungen der einzelnen Charakteren verstärkt wird, wenn man die vorherigen Bücher gelesen hat. Doch auch als „Quereinleser“ wird man sich schnell in Personen und die Geschichte einfinden. In dieser Geschichte ist das Mietshaus mit seinen bekannten Bewohnern und Atmosphäre der Ausgangspunkt des neuen Abenteuers. Andreas Steinhöfel beschreibt auch hier liebevoll mit sehr viel Witz, Biss und Ironie und mit wenigen, aber genau treffenden Zügen die Eigenarten und Schrulligkeiten der Protagonisten. Dabei wird weder die „Tiefenbegabung“ von Rico lächerlich gemacht noch Oskar als Hochbegabter überheblich dargestellt. Beide haben mit ihren „Begabungen“ ihre ganz persönlichen Probleme und beide meistern gemeinsam den Kampf damit. In dieser Geschichte, in dem wieder ein kleiner Krimi miteingebunden ist, wächst Rico sogar über sich hinaus, indem er aus seinem bisherigen eingeschränkten Bewegungsradius hinaustritt und selbständig agiert. Auch Oskar muss erkennen, dass auch sein breiter Fundus an theoretischem Wissen irgendwann an seine Grenzen stößt. Beide entwickeln sich weiter, jeder auf seine ganz persönliche Weise und trotzdem vom anderen unterstützt. Rico ist und bleibt ein hervorragender Beobachter seiner Umwelt, auch wenn er vielleicht manches nicht auf Anhieb versteht. Er erzählt in einer herrlich locker-leichten Sprache, die trotz allem Witz und Ironie einen hintergründigen Ernst besitzt. Herrlich auch die Fortsetzung von Ricos Wörterbuch und seinen schrägen Erklärungen von Klaustrophobie oder Kontinent. Bei der Erklärung von Para-Neujahr bin ich mir aber nicht so sicher, ob Kinder so rechtschreibsicher sind, um auch den Witz in der falschen Schreibweise zu erkennen. 😉 Einen einzigen Kritikpunkt habe ich dennoch: Rico erzählt Oskar von dem Film „Das Schweigen der Lämmer“, der dann auch zufällig im Fernsehen läuft und die beiden sich anschauen. Das heißt, mehr oder weniger, denn Beiden rutscht das Herz bei diesem Film ganz gewaltig in die Hose, was ich gut verstehen kann. Ich gehöre auch zu denen, die diesen Film im Kino überwiegend mit beiden Händen fest vor den Augen gepresst irgendwie überstanden haben. Ob gewollt oder nicht und mit Komik heruntergespielt – er weckt ein gewisses Interesse bei den jungen Lesern. Auch wenn ich mich jetzt vielleicht als moralinsaure Spaßverderberin gebe, finde ich, dass dieser Film in keiner Weise für Leser ab 9 Jahre empfehlenswert ist. Das weiß auch der Autor, da bin ich mir sicher. Vielleicht hat er aber auch gerade die Diskussion und das Gespräch mit Kindern bewusst damit eingefordert, was ihm gelungen ist. Jedenfalls versuche ich gerade meinem 11-jährigen Sohn klarzumachen, dass dieser Film  noch absolut nichts für ihn ist. Trotzdem und vielleicht auch gerade deswegen sind die „Rico und Oskar“-Bücher von Tobias Steinhöfel etwas ganz besonderes.

Da ich den unsäglichen Begriff des „all age“-Buches für abgegrabbelt halte und nicht wirklich mag, möchte ich diese Art des Kinderbuchs mit seinem facettenreichen sozialem Spektrum eher mit der Qualität von Erich Kästner vergleichen, dessen „Sprache klar, einfach, präzise und humorvoll war… und er die Kindheit für einen Zustand ungewöhnlicher Gescheitheit und nicht für einen Zustand großer Dummheit hielt““ (Erich Kästner, rororo Biographie, Luiselotte Enderle, 1984)

Sabine Hoß

Bewertung:

 

 

 

 

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