Mein böses Herz

Wulf Dorn

cbt, Februar 2012

416 Seiten, € 16,99

ab 14 Jahre

 

 

 

Inhalt:

Für die 15 Jahre alte Doro ist die Welt in Ordnung bis sie eines Morgens ihren kleinen 1 ½ Jahre alten Bruder Kai zum Frühstück holen soll. Als sie an seinem Bettchen steht, wundert sie sich, dass Kai nicht schon wie sonst, ungeduldig plärrend an den Gitterstäben steht. Doch Kai ist tot. Diagnose: Hirnblutung, sagen die Ärzte. Ab diesem Moment bricht nicht nur Doros Welt zusammen, auch ihre Familie fällt auseinander. Ihre Eltern kommmen über den Verlust ihres kleinen Sohnes nicht hinweg und trennen sich. Doro glaubt Schuld am Tod ihres Bruders zu sein, kann es aber nicht erklären, da sie sich nicht an die letzten Stunden am Abend zuvor erinnert. Sie sollte nämlich auf Kai aufpassen, während ihre Eltern ihren Hochzeitstag beim Italiener feierten. Allerdings wollte Doro viel lieber auf eine Party gehen, doch die Eltern machten ihr kurzfristig diese Pläne zunichte, worüber sie alles andere als begeistert war. Seit dem Tod wird Doro von grausamen Halluzinationen verfolgt, die einen Klinikaufenthalt nötig machen. Nach ihrer Entlassung zieht sie mit ihrer Mutter in ein kleines, verschlafenes Städtchen auf dem Land. Doch auch hier, in der völlig neuen und fremden Umgebung passieren rätselhafte Dinge: Ein Jugendlicher verbrennt auf einem Feld in einem alten VW-Bus. Eines Nachts entdeckt Doro während eines Gewitters in dem alten Schuppen im Garten ihres Hauses einen völlig verstörten, verwahrlosten Jungen, der sie um Hilfe bittet und sagt, dass der Teufel ihn getötet hat. Sie alarmiert einen Krankenwagen und Polizei, doch der Junge ist plötzlich wie vom Erdboden verschwunden. Wieder ist Doro für alle der „Freak“, der Dinge und Sachen sieht, sich einbildet, die es gar nicht gibt. Auch ihre Mutter, die bisher immer zu Doro gehalten hat, ist verzweifelt, denn sie hat gehofft, das die Halluzinationen verschwunden sind. Doch Doro ist sich diesmal ganz sicher, keine Wahnvorstellungen gehabt zu haben, denn sie hat den Jungen berührt und gefühlt. Es beginnt eine dramatische und schwierige Suche nach der Wahrheit, die sie immer wieder an sich selbst zweifeln lässt, da die anderen ihr nicht glauben wollen oder können und sie immer wieder ihr Image als „Freak“ dementieren muss.

Rezension:

Wulf Dorn schreibt schon seit seinem zwölften Lebensjahr und bevor er im Erwachsenen-Krimi mit seinem sein Debütroman und Bestseller „Trigger“ (die Verfilmung ist in Vorbereitung) ein bekannter Autor wurde, hat er bereits viele Kurzgeschichten für Zeitschriften und Anthologien geschrieben, die mehrfach ausgezeichnet wurden.

Der Autor antwortet auf seiner Webseite auf die Frage, welchen Anspruch er an seine Bücher stellt wie folgt:

„ Ich bin erst dann zufrieden, wenn sich ein Leser mit nichts anderem mehr beschäftigen will, ehe er nicht meine Geschichte zu Ende gelesen hat. Und richtig glücklich bin ich, wenn er nach dem Lesen noch ein wenig über das Buch nachdenkt.“

Das ist natürlich ein hoch gestecktes Ziel, das es zu erreichen gilt. Mit seinem ersten Thriller für Jugendliche ist ihm ein packender Roman gelungen, der mich von der ersten Zeile an in die Geschichte hineingezogen hat. Bereits auf den ersten 15 Seiten wird eine Spannung aufgebaut, die eine hohe Erwartung auf die weitere Entwicklung aufkommen lässt und bis zum Schluss erfüllt wird. Die Protagonistin Doro ist, wie ihr Großvater, eine Synästhetikerin, „die durch ihre besondere Gabe Zahlen, Gerüche, Erinnerungen und Menschen über Sinnesorgane definieren können.“ Doro drückt ihre Gabe in Farben aus und kategorisiert ihre Eindrücke und Menschen in verschiedenen Farbtönen, wobei sie ihre eigene Farbe noch nicht gefunden hat. Mit einer fesselnden Tiefe sind die Figuren ausgearbeitet, allen voran Doro, die sich in der Geschichte zusehends entwickelt. Sie kämpft nicht nur gegen das Vorurteil, dass sie wegen ihrer Gabe und ihren Halluzinationen von anderen als „Freak“ angesehen wird, sie muss sich auch gegen erniedrigendes Mitleid durchsetzen. Sie weiß, dass sie den Jungen gesehen und die Wahrheit gesagt hat, trotzdem glaubt ihr kaum jemand. Doro erkennt langsam, dass sie irgendetwas verdrängt, das sie so blockiert, dass sie sich an den letzten Abend, an dem sie mit ihrem kleinen Bruder alleine war, nicht erinnern  kann oder will. Dieser Zustand ist wahrscheinlich auch der Grund für ihre Halluzinationen, die trotz Medikamente nicht in den Griff zu bekommen sind. Wulf Dorn entblättert auf eine feinfühlige Art die menschliche Seele mit all ihren facettenreichen und zerbrechlichen Abgründen. Er zeigt, dass jeder von uns zwei Gesichter hat und zunächst Unvorstellbares real und auch zu einem Albtraum werden lassen kann. Natürlich verbindet die Geschichte einige (glückliche) Zufälle, doch darüber sieht man gerne hinweg. Am liebsten würde man das Buch in einem Rutsch durchlesen, trotzdem unterbricht man es aber (kurz!), um sich zu sammeln und über das gelesene nachzudenken. Und damit wäre ich wieder bei dem hier erfüllten Wunsch des Autors. Diese Geschichte lässt einem immer wieder eine Schauer über den Rücken jagen – ohne blutiges Gemetzel oder brutale Schlachten. Es reicht ein messerscharfer  Einblick in das Ausmaß und den Möglichkeiten unseres Seelentheaters, das nach außen freundliche, besonnene Menschen zeigt, in denen jedoch der Teufel tobt, während die sogenannten „Freaks“ gar nicht so verrückt sind. Wulf Dorn konfrontiert mit Ängsten und der Tatsache, dass man sich nie sicher sein kann, was im Inneren unseres Gegenübers vor sich geht. Das ist beängstigend, macht aber auch immer wieder neugierig.

Wenn ich über das Buch nachdenke, frage ich mich, wie die Geschichte wohl verlaufen wäre, wenn statt (wieder einmal) einer weiblichen Protagonistin ein Junge diese Rolle übernommen hätte.

Das Cover fällt auf und passt perfekt, zumal es sich aus der Geschichte entwickelt und man ihm im Laufe der Handlung wiederbegegnet. Diese Verbindung ist ebenfalls originell und wunderbar gelungen.

Sabine Hoß

Bewertung:

Ein Interview mit dem Autor findet Ihr hier:

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