Schattengrund

Elisabeth Herrmann

cbj, November 2012

416 Seiten, €  14,99

ab 14 Jahre

 

 

 

Inhalt:

Als Tante Kiana stirbt, ahnt die siebzehnjährige Nicola nicht, was ihr der Notar bei der Testamentseröffnung offenbart: Sie erbt „Schattengrund“, das Haus ihrer Tante, in dem sie als Kind viele wunderbare Ferien verbracht hat. Allerdings ist die endgültige Erbschaftsannahme an drei Rätsel gebunden, die mit Schattengrund verbunden sind. Da Nico nur wenige Tage von ihrem achtzehnten Geburtstag steht, ist es für sie unverständlich, dass ihre Eltern das Erbe ausschlagen wollen. Sie weiß zwar, dass die Eltern seit vielen Jahren ein angespanntes Verhältnis zu Tante Kiana hatten und man sich auch nicht mehr gesehen hat, trotzdem hat Nico für dieses Verhalten keine Erklärung. Daher macht sie sich heimlich nach Schattengrund auf, um sich das Haus noch einmal in Ruhe anzusehen und den Rätseln auf den Grund zu gehen. Allerdings hat sie nicht die Schneemassen bedacht, die Anfang Dezember das Dorf Siebenlehen und Schattengrund bedecken. Nur durch einen glücklichen Zufall und der Bekanntschaft mit Leon erreicht Nico das Haus ihrer Tante. Ganz langsam taucht sie in das alte Gemäuer ein und Erinnerungen an alte Zeiten werden wieder lebendig. Doch im Dorf stößt Nico überall auf ablehnendes Verhalten. Dieses sonderbare Verhalten muss mit ihrer Tante zusammenhängen, aber warum wird ihre Tante Kiana als seltsam und spinnert bezeichnet? Hat es etwas mit dem Tod ihrer früheren besten Freundin Fili zu tun, mit der sie früher immer gespielt hat, wenn sie ihre Ferien bei ihrer Tante verbracht hat? Warum kann sie sich nicht daran erinnern und warum hat niemand ihr etwas darüber erzählt? Was ist mit Fili passiert? Für Nicola entwickelt sich die Reise nach Schattengrund zu einer Reise in die Vergangenheit, die für sie nicht nur wertvolle Erinnerungen zurück bringt, sondern auch lang Verschwiegenes ans Tageslicht bringt.

Rezension:

Elisabeth Herrmann ist seit Jahren eine erfolgreiche und bekannte Autorin spannender Krimis für Erwachsene. Nach ihrem ersten Jugendthriller „Lilienblut“ folgt nun „Schattengrund“, ebenfalls mit einem schlagkräftigen Ein-Wort-Titel. Von Beginn an liegt eine latent düster-geheimnisvolle Stimmung über der Handlung, die zum Schluss das Fürchten und Gruseln lehrt. Die Autorin braucht keine gewalttätigen Szenen, dafür  verpackt sie die klug aufgebaute Geschichte mit intensiver psychologischer Spannung, die den Leser das Buch nur ungern aus der Hand legen lässt. Ganz im Gegensatz zu ihrem ersten Jugendthriller, bei dem man ab einem bestimmten Moment eine sichere Ahnung hatte, rätselt der Leser hier bis zum Ende, wie und durch wen das kleine Mädchen Fili gestorben ist. Immer wieder wird man mit überraschenden und trotzdem stimmigen Wendungen geschickt in die Irre geführt, gerade wenn man glaubt, des Rätsels Lösung zu kennen. In einer bilderreichen Sprache schafft Elisabeth Herrmann überdies eine Atmosphäre, die die winterliche, eisige Kälte und das tosende Schneegestöber selbst im geheizten Wohnzimmer unter einer kuscheligen Decke spürbar macht. Diese dunkle Kälte wird auf die dörfliche Stimmung und einigen Charaktere perfekt übertragen. Raffiniert bindet die Autorin neben Sagen und Mythen aus dem Handlungsort Harz viele komplexe Themen in die Geschichte mit ein; wie über Jahrzehnte hinweg ungeklärte Familienstreitigkeiten, Verschwiegen- und Verlogenheit einer Dorfgemeinde, Vertrauen und Zweifeln, der kritische Blick auf das Wegschauen der katholischen Kirche und letztlich die grauenvolle Tat der Kindesmisshandlung. Nun könnte man meinen, dass bei einer solchen Themenvielfalt der rote Faden verloren geht oder die Aspekte oberflächlich bleiben. Doch genau das hat die Autorin souverän und sensibel vermieden. Mit der sympathischen Hauptprotagonistin Nico, die sich an viele und wichtige Begebenheiten nicht erinnert, sammelt der Leser im Verlaufe des Buches Mosaiksteine der Vergangenheit. Nico entwickelt sich von der zu Beginn schüchternen und ängstlichen zu einer selbstbewussten und tatkräftigen jungen Frau. Auch Leo, ihr Pendant für den natürlich nicht vergessenen „love interest“, muss sich plötzlich mit unvorstellbaren Fragen zu seiner Familie auseinander setzen, was auch seine Persönlichkeit reifen lässt. Einzig der seiner Persönlichkeit und Größe sonderbare Maik und Leons heruntergekommene, versoffene Verwandtschaft scheinen ein wenig zu klischeehaft und flach dargestellt.

„Schattengrund“ ist ein Winter-Thriller, der mit einer intensiven, bilderreichen Sprache, einem komplexen Themencocktail und psychologischer Gänsehautspannung jugendliche Leser wie auch Erwachsene fesselt. Aber Vorsicht: Warm anziehen!

Das Cover ist passend düster, die rote Schaukel assoziiert passend die vergessenen Kindheitserinnerungen. Was jedoch nicht wirklich rüberkommt, ist die unglaublich eiskalte Stimmung, die Elisabeth Herrmann so nachfühlbar beschrieben hat.

Sabine Hoß

Bewertung:

Ein Interview mit der Autorin findet Ihr hier:

 

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