Aristoteles und Dante entdecken die Geheimnisse des Universums

Aristoteles & Dante KLEIN

Benjamin Alire Sàenz

Aus dem Amerikanischen von Brigitte Jakobeit

Thienemann, Juli 2014

384 Seiten, € 16,99

ab 14 Jahre

 

 

 

El Paso, 1987. Aristoteles, 15 Jahre, ist Mexikanischer Abstammung und findet seinen Namen peinlich. Daher hat er ihn auf Ari gekürzt, was ihn aber nicht davor schützt, dass er mit sich und seiner Welt hadert. Er gehört keiner festen Clique an und ist ein nachdenklicher und introvertierter Typ. Über Gefühle zu sprechen fällt ihm unglaublich schwer und Humor empfindet er anstrengend. Ari ist also alles andere als einer von diesen coolen Jungs, auf die die Mädels in diesem Alter abfahren. Hinzu kommt Aris Familie, in der er seine Position sucht. Seine Zwillingsschwestern sind zwölf Jahre älter und aus dem Haus. Sein Bruder Bernardo ist elf Jahre älter und über ihn wird geschwiegen, als würde es nicht gar nicht geben. Bernardo sitzt im Gefängnis und Ari darf noch nicht mal seinen Namen erwähnen. Warum er im Gefängnis ist und warum die dicke Mauer des Schweigens über ihn hängt, würde Ari  gerne wissen, doch es gibt keine Chance, hier auch nur einen Haarriss herbeizuführen. Aris Vater war bei den Marines und im Krieg. Seit seiner Rückkehr arbeitet er als Postbote, ist sehr undurchsichtig, verschlossen und niemand weiß, was mit ihm im Krieg passiert ist. Nur Aris Mutter, eine Lehrerin und engagierte Ehrenamtlerin, versucht mit ihrer warmherziger Art und mütterlichem Humor eine Brücke zwischen ihrem Mann und Ari zu schlagen und ihren Sohn immer wieder aufzumuntern.

Als Ari eines Tages ins Schwimmbad geht, wird er am Beckenrand sitzend von einem Jungen angesprochen, der ihm anbietet, das Schwimmen beizubringen. Es ist Dante, der ebenfalls Mexikaner ist. Das ist zunächst auch die einzige Gemeinsamkeit zwischen den beiden. Dante ist witzig, leidenschaftlich und es scheint ihm jede Gemeinheit zu fehlen. Sein Vater ist Englischprofessor, seine Mutter ist Psychotherapeutin. In Dantes Familie wird über alles humorvoll, offen und warmherzig gesprochen, worüber Ari sich am Anfang wundert, da in seiner Familie die wirklich wichtigen Dinge hartnäckig unter den Tisch gekehrt und verschwiegen werden. Obwohl oder vielleicht gerade weil Dante und Ari so grundverschieden sind, freunden die beiden sich langsam an. Denn es gibt auch Gemeinsamkeiten: Beide Jungs sind auf ihre Weise Außenseiter. Dante zeichnet sehr gerne und gut und möchte gerne später Künstler werden, Ari findet durch seine traurige und zurückgezogene Art keine Freunde. Oder die Tatsache, dass beide nicht viel Fernsehen dürfen und der Stolz, dass ihre Eltern trotz ihrer mexikanischen Abstammung ein abgeschlossenes Studium vorweisen und ihren Kindern eine gute Zukunft bieten können. Schritt für Schritt öffnen sich die beiden dem anderen und Ari darf sogar als Einziger die Zeichnungen von Dante anschauen. Diese vorsichtige Annäherung gelingt durch ausführliches Reden über alltägliches, banales. Sie albern herum und wenden sich immer mehr  ganz privater, intimer und philosophischen Fragen zu. Dabei eröffnet Dante seinem Freund, dass er sich zu Jungs hingezogen fühlt und hat Angst, es seinen Eltern zu sagen. Ausgerechnet Ari spricht ihm Mut zu, blockiert aber alles rigoros ab, was mit seinen eigenen Gefühlen und denen zu anderen zu tun hat.

Viel mehr sollte von dieser vielschichtigen und unterhaltsam zu  lesenden Geschichte nicht verraten werden, dennoch so viel, dass Ari und Dante vor ihrer ersten großen Identitäts- und Gefühlskrise stehen. Sie meistern diese Krise, weil ihre Eltern liebevoll, kritisch und dennoch vorbehaltlos hinter ihnen stehen, was nicht immer selbstverständlich ist. Auch sie reifen zusehends in dem schwierigen Prozess ihrer Söhne. Aris Eltern schaffen es, ihm zumindest einige der Fragen um seinen Bruder Bernardo zu beantworten. Der Prozess, sich die Gefühle für den anderen einzugestehen und auch dazu stehen zu können ist für Dante und Ari nicht leicht, aber absolut notwendig ist, um ehrlich sich selbst und dem anderen gegenüber zu sein.

Benjamin Alire Sáenz beschreibt mit diesem Buch auf sensible, warmherzige Weise eine Coming-out-Geschichte, an der keine kitschige Rührseligkeit klebt, wohl aber klare, kluge Gedanken über die unverzichtbaren und selten gewordenen Werte von Freundschaft, Loyalität und Vertrauen. Der Autor legt für diesen Roman eine Jugend Ende der achtziger Jahre in Amerika, dazu zwei Jungs mexikanischer Abstammung zugrunde, was eine seltene und besondere Rahmenhandlung in übersetzten amerikanischen Jugendbücher ist.

Ein wunderbares Buch für alle Altersgruppen, besonderes für Jungen und ihre Eltern – Schöner und treffender hat es der Autor ausgedrückt:

„Für alle Jungen, die lernen mussten, nach anderen Regeln zu spielen.“

Brigitte Jakobeit hat in ihrer Übersetzung genau den richtigen Ton und Atmosphäre getroffen.

Das Cover ist unauffällig und nicht so überfrachtet wie das amerikanische Original – und passt. Was selten passiert – hier wurde der Titel exakt übertragen – und das ist gut so.

Sabine Hoß

Bewertung:

 

 

 

 

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