Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss von Christine Feher

Christine Fehér

cbt, September 2013

416 Seiten, € 16,99

ab 13 Jahre

 

 

 

Maximilian, 18 Jahre, steht kurz vor dem Abitur. Der Druck ist hoch und das Pensum hart. Sein Vater, ein erfolgreicher Salesmanager in einer Computerfirma will, dass sein Sohn etwas aus seinem Leben macht und als Jurist oder Mediziner sein berufliches Lebensglück findet. Doch Max hat ganz andere Vorstellungen. Er ist ein sehr talentierter Zeichner und träumt davon, damit in irgendeinem gestalterischen, kreativen Beruf zu arbeiten. Für seinen Vater völlig unverständlich, der dieses Talent allenfalls als Hobby durchgehen lässt. Die Mutter versucht zu vermitteln, ist aber nicht stark genug, um sich gegen ihren Mann und für Max zu behaupten. Natalie, die 16-jährige Schwester von Max, rebelliert auf ihre eigene Weise erfolgreicher gegen die Gängelei und das enge Korsett ihrer Eltern, vor allem ihres Vaters. Sie kleidet sich betont aufmüpfig als Punk, spielt Saxofon in einer Rockband und gibt ihrem Vater verbal Kontra. Max ist zwar eingebettet in einer Clique, hat mit Paul einen besten Freund und seine Freundin Annika komplettiert das Vorzeigebild eines Sohnes aus gutem Hause. Doch keiner bemerkt die Qualen, unter denen Max leidet: Den Druck, den Vorstellungen und Leistungsanspruch seines Vaters in keiner Weise gerecht zu werden, den Leistungsabfall in Mathe, als sein verständnisvoller alter Lehrer und Tutor krank wird und ein sadistischer, junger neuer Lehrer, der mit der Einstellung „friss oder stirb“ auf das Abitur vorbereitet. Tief in seinem Inneren spürt Max, dass die Beziehung zu Annika schon seit längerem keine Liebesbeziehung mehr ist. Auch sie mäkelt ständig an ihm herum. Wo Max auch hinsieht, überall stößt er auf Erwartungen und Forderungen, die er nicht erfüllen kann oder will. Gleichzeitig fehlt ihm der Mut und die Unterstützung, sich dagegen aufzulehnen und einen eigenen Weg daraus zu finden.

Als er durch Zufall die drei Jahre ältere Gärtnerin Delia kennenlernt, bemerken die beiden eine Seelenverwandtschaft, aus der sich eine Liebesbeziehung entwickelt. Bei Delia kann und darf Max so sein wie er ist. Allerdings bemerkt Delia, dass Max noch mit Annika zusammen ist und drängt ihn zu einer Entscheidung, da sie jemanden an ihrer Seite haben möchte, auf den sie bauen kann. Eine weitere Forderung für Max, die ihn überfordert. Nach einem Discobesuch mit seiner Schwester Natalie, seiner Freundin Annika und seinem Freund Paul, bei dem Paul seine erfolgreiche Abi-Klausur in Mathe feiert, während Max katastrophal versagt hat, überrascht er Annika und Paul in seinem Wagen. Der letzte Tropfen, der das Fass der Überforderung zum Überlaufen bringt. Max sieht  nur noch einen Ausweg und steuert den Wagen mit hohem Tempo gegen einen Baum.

Von der ersten Seite an ist klar, dass Max Selbstmord begangen hat. Christine Fehér lässt die Schwester Natalie, den Freund Paul, die Freundin Annika, die Eltern von Max, den wohlwollenden Mathelehrer Brückner, Max selber sowie am Ende mit Tagebucheinträgen seine heimliche Geliebte Delia aus ihren Perspektiven erzählen. Aus diesen Person setzt die Autorin wie ein Puzzle ein Lebensumfeld von Max zusammen, das aus Macht, Leistungsdruck, Gängelei, unterdrückter Selbstentfaltung besteht und dem Gefühl, den Forderungen anderer nicht ansatzweise gerecht zu werden. Als Max in Delia endlich jemanden gefunden hat, der ihn annimmt, so wie er ist und mit Achtung und Respekt liebt, müsste er „nur“ einmal eine Entscheidung für sich und für das Mädchen treffen, von dem er weiß, dass sie ihn liebt. Aber dafür fehlt ihm der Mut. Zu sehr hat sein Selbstbewusstsein unter dem harten Leistungsdruck seines Vaters gepaart mit seiner mangelndem Achtung vor den eigentlichen Talenten und Vorstellungen seines Sohnes, den permanenten Gängeleien seiner Freundin und der Oberflächlichkeit seines Freundes, Freundeskreises gelitten.

Fehér arbeitet die unterschiedlichen Charaktere sorgfältig aus. Sie verzichtet auf Klischees und Überzeichnung. Im Fokus steht der dominierende Vater, der mit seiner vermeintlich positiven Härte seinen Sohn „totfördert“. Auch dem hohen Leistungsdruck, der auf den heutigen Abiturienten liegt und gerne von Schulinstanz und Politik weggeredet wird, gibt die Autorin eine Fläche. Es gibt sicher Lehrer wie den älteren Mathelehrer Brückner, die neben ihrer fachlichen Weitergabe auch in dem Schüler einen jungen Menschen sehen, der Orientierung und Unterstützung braucht. Doch leider kennt sicher jeder Schüler auch mindestens einen „Bollschweiler“, der humor- und empathielos ein reiner Leistungsvermittler ist.

Das künstlerische hervorragende Talent von Max wird erst posthum bemerkt.                   Die Schwester verschickt nach der Beerdigung den engsten Freunden eine Zeichnung ihrer selbst von Max und es erscheint ein wenig schnell, wie diese verkannte Gabe als Erkenntnis den Beschenkten „wie Schuppen vor den Augen“ fällt. Bis zum Schluss ist man überzeugt, dass der Unfalltod von Max ein Selbstmord gewesen ist und die anderen Autoinsassen einfach nur unglaubliches Glück hatten. Christine Fehér gibt am Ende dem ganzen eine seltsame Wendung, mit der der vermeintliche Selbstmord in Frage gestellt wird, was rätselhaft ist.

„Dann mach ich eben Schluss“ ist ein aufwühlender Roman über Leistungsdruck, Oberflächlichkeit und unterdrückter Eigenentfaltung eines sensiblen, künstlerisch begabten jungen Menschen. Überwiegend geschliffene und wieder erkennbare Figuren mahnen, die eigentlichen Talente und Vorstellungen junger Menschen mit Achtung und Respekt zu begegnen. Ein gutes Abi ist sicher für die Zukunft wichtig aber „der Wert eines Menschen und sein Glück lassen sich nicht an der erreichten Punktzahl einer Klausur oder dem Notendurchschnitt auf dem Abschlusszeugnis ablesen.“

Der Leistungsdruck in der Schule, der Machtkampf zwischen Schüler und Lehrer, aber auch der Druck aus dem Elternhaus und Freundeskreis ist leider immer noch ein aktuelles Thema, was bereits 1930 Friedrich Torberg mit „Der Schüler Gerber“ präsentierte oder mit der 1980 vom ZDF produzierten sechsteiligen Fernsehserie „Tod eines Schülers“ wurde dieses brisante dargestellt wurde, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Christine Fehér hat für ihren Roman den bewährten Rahmen der verschiedenen erzählenden Figuren und Blickwinkeln zugrunde gelegt. Das problematische Thema hat sie in einer leicht zu lesenden Sprache verpackt und ihr ist eine spannende und bewegende Geschichte gelungen, die für Jugendliche wie auch für Eltern und Lehrer lesenswert ist.

Das Cover ist treffend und gut gewählt.

Für dieses Buch hat Christine Fehér im November 2014 den Jugendbuchpreis „Buxtehuder Bulle“ verliehen bekommen. Einen Artikel hierzu gibt es auf diesem Literaturportal.

Sabine Hoß

Bewertung:

Ein Interview mit der Autorin findet Ihr hier:

 

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