Liebe & Verderben

Kristin Hannah

Rütten & Leoning, September 2018

Übersetzt von Gabriele Weber-Jariƈ

591 Seiten, € 22,00

 

Mit ihrem Welterfolg „Die Nachtigall“ hat Kristin Hannah bereits ihr großes Schreibtalent bewiesen. Umso neugieriger und kritisch wartet man auf das nächste Buch der Autorin.

In „Liebe und Verderben“ (Originaltitel „The Great Alone“) führt sie den Leser in die weite Wildnis nach Alaska.

1974 ist Lenora  Allbrigth, genannt Leni, 13 Jahre alt und zieht mit ihrer Familie von Seattle nach Alaska. Bis zu diesem Zeitpunkt haben sie ein unruhiges Leben geführt, denn nirgendwo sind ihre Eltern, Cora und Ernt, lange an einem Ort geblieben. Cora hat sehr jung den älteren Ernt geheiratet und für ihre große Liebe sogar mit ihrem Elternhaus gebrochen, das ihren Mann für einen Nichtsnutz hält.

Als Ernt aus dem Vietnamkrieg zurückkehrt, ist er ein traumatisierter und gebrochener Mann, der sich in seinem Wesen völlig verändert hat. Von einem Kriegskamerad hat er in Alaska ein Grundstück mit Blockhütte geerbt und glaubt dort endlich Frieden zu finden. Leni, die bis jetzt an keinem Ort eine Freundin gefunden hat und ihre Mutter sind voller Hoffnung und Neugier auf Alaska.

Als sie im Sommer in einem kleinen Ort in Alaska ankommen, stellen sie sehr schnell fest, dass sie ohne jedes Wissen über dieses Land und was Leben dort bedeutet, hier gestrandet sind. Doch die weit verstreuten Nachbarn sind mit Rat und Tat sofort zur Stelle, was Ernt in einen Zwiespalt von dankbaren Annehmen und stolzen Ablehnen bringt. Cora freut sich jedoch über die vielfältige Hilfe und gewinnt rasch Freundinnen.

An ihrem ersten Schultag sitzt Leni neben dem gleichaltrigen Mathew Walker und auf den ersten Blick verstehen sie sich großartig. Mathew liest wie sie gerne und begeistert sich für die gleichen Sachen. Zwischen den beiden entsteht eine tiefe Freundschaft und die erste Liebe und bald sind sie unzertrennlich.

Mit dem langen, harten Winter verändert sich jedoch erneut das Verhalten von Lenis Vater. Die Dämonen und Folgen des Krieges wandelt er in brutale Wutanfälle gegenüber seinen Frauen und schlägt immer wieder seine Frau, was ihm hinterher leid tut. Gegenüber Leni wird er nicht physisch übergriffig, aber psychisch übt er einen gewaltigen Druck auf sie aus. Die beiden Frauen müssen lernen, sich unsichtbar zu machen, damit sie möglichst gewaltfrei durch den Tag kommen. Die Freundschaft zu Mathew wird ebenfalls durch ihren Vater torpediert, da er die Familie Walker mit Verachtung bestraft, weil sie Geld und Mathews Vater innovative Ideen für den kleinen Ort hat, was Ernt beides vehement ablehnt.

Für Leni und ihre Mutter beginnen harte Jahre in Alaska, in denen der lange und strenge Winter für sie eine unendlich dunkle und brutale Zeit ist. Doch so oft Cora von ihrem Mann geschlagen wird, schafft sie es nicht, von ihm loszukommen; zu groß ist die gegenseitige „Liebe“, wie sie sagt. Als Leni 18 Jahre alt ist, versuchen sie und ihre Mutter trotzdem von ihrem Vater zu fliehen, da sie um ihr Leben fürchten. Doch wirklich Zuhause fühlen sich Leni und ihre Mutter nur in Alaska…

Mit einer großartigen bilderreichen Sprache erzählt Kristin Hannah von einem traumhaft schönen und gleichzeitig erbarmungslos harten Alaska, einem wilden Land, das „Schönheit und Schrecken, Retten und Zerstörer ist und in dem man jeden Tag um sein Überleben in der Natur kämpfen muss“. Hier müssen zwei Frauen jeden Tag um ihr Leben kämpfen, nicht nur der Natur gegenüber , sondern vor allem müssen sie sich vor Ehemann und Vater schützen. Es ist das bizarre Leben einer Familie, das aus gegenseitiger Liebe, aber auch Hass und tiefer Verletzlichkeit besteht. Der Dämon von Cora und Leni ist ihr Mann und Vater, der wiederum seine Dämonen aus dem Vietnamkrieg mit brutaler Gewalt gegenüber seinen Liebsten zu bändigen versucht.

Kristin Hannah schreibt mit einer intensiven emotionalen Wucht, dann wieder ganz sensibel und zärtlich von der dunklen, abhängigen Beziehung zwischen Cora und ihrem Mann, der ganz besonderen, liebevollen Mutter – Tochter Beziehung zwischen Cora und Leni, die trotz aller Belastungen alles  aushält und innig bleibt sowie der tiefen, wahrhaftigen Liebe zwischen Leni und Matthew, die durch die Ablehnung von Lenis Vater fast einen Romeo und Julia-Touch hat. Ihre Figuren haben eine facettenreiche Tiefe und auch die Nebenfiguren sind nachhaltig.

Die opulente Novelle endet „happy“, wobei es mir ein wenig zu glücklich aufgelöst ist und damit leider der Schluss doch etwas konstruiert erscheint, was schade ist.

Denn bis dahin ist es eine emotional aufwühlende und hoch spannende, faszinierende Familiengeschichte mit großartigen plastischen Naturbeschreibungen, die man kaum aus der Hand legen will. Auch dieser Roman könnte ein internationaler Bestseller werden, man darf gespannt sein.

Gabriele Weber-Jariƈ hat die Geschichte stimmig ins Deutsche übertragen. Das Cover und der Titel passen ebenfalls perfekt.

Sabine Hoß

Bewertung:

 

 

 

 

 

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