Zu Hause redet das Gras

Katherine Rundell

Aus dem Englischen von Henning Ahrens

Carlsen, April 2012

256 Seiten, € 14,90

ab 12 Jahre

 

 

Inhalt:

Wilhelmina Silver lebt mit ihrem Vater auf einer Farm in Simbabwe, Südafrika, die Captain Browne gehört. Mit „Wilhelmina“ wird sie allerdings von keinem angeredet, denn dieser Name passt überhaupt nicht zu ihr. Sie wird von allen nur „Will“ genannt, ihr Vater nennt sie auch „Wildkatze“ oder „Viel-zu-viel“, weil sie so ungestüm und freiheitsliebend ist. Will`s Mutter ist schon einige Jahre tot, trotzdem fühlt sich Will wohl und aufgefangen bei ihrem Vater, Captain Browne und ihrem besten Freund Simon. Mit Simon genießt sie das herrliche freie Leben in der südafrikanischen Natur. Schule, Hausaufgaben, Prüfungen, überhaupt ein Leben mit Regeln sind für sie Fremdworte. Dafür kennen sie die Regeln der Natur und die Verhaltensweise der Tiere wie ihre Westentasche. Als Will`s Vater schwer krank wird, holt der Captain die Krankenschwester Cynthia zur Pflege und Unterstützung auf die Farm, doch der Vater stirbt. Cynthia wendet sich unterdessen immer intensiver Captain Browne zu und hat ihre eigenen Pläne. Will stört allerdings dabei, doch Cynthia weiß hierfür eine Lösung: Will soll endlich etwas anständiges lernen und eine ordentliche Erziehung bekommen – weitab von Simbabwe in einem Internat in England. Ihr väterlicher Freund Captain Browne kommt gegen die dominante Cynthia nicht an und hofft, dass diese Entscheidung das Beste für Wills Zukunft ist. Doch für diese bricht eine Welt zusammen. Erst hat sie ihre Mutter, dann ihren Vater verloren, jetzt soll sie auch noch ihre geliebte Heimat Simbabwe verlassen, gegen ihren Willen. Als sie in England ankommt, fühlt sie sich wie auf einem anderen Planeten. Sie versteht keinen und kommt mit den vielen Regeln nicht klar und sie selbst wirkt auf alle anderen wie eine kleine, stinkende und dreckige Wilde. Will ist einer völlig neuen Welt, mit völlig anderen Umgangsformen ganz alleine auf sich gestellt und zum ersten Mal muss sie sich mit Menschen und Regeln auseinandersetzen.

Rezension:

In diesem Roman kann man Südafrika, Simbabwe nicht nur lesen sondern riechen, schmecken und fühlen – auch wenn man noch nie dagewesen ist. Die junge Autorin Katherine Rundell lässt ein Stück Land in einer prächtigen, bilderreichen und faszinierenden bilderreichen Sprache aufblühen, die an keiner Stelle ins kitschige oder sentimentale abrutscht. Zwar haben mich die vielen „hey“, „ok“, „ja“ am Satzende irgendwann gestört, die zwar die kleinkalibrige Sprache der ungezügelten Will deutlich machen soll, aber in diesen schon fast nervenden Wiederholungen nicht nötig gewesen wären. Man spürt bei diesem beeindruckenden Debüt, dass Rundell dieses Land offensichtlich sehr gut kennt und vielleicht vermischen sich hier eigene Kindheitserinnerungen. Jedenfalls ist die Kindheit der Romanprotagonistin Will weitestgehends glücklich, in der eine unvorstellbare Freiheit in der herrlichen Natur Simbabwes sich nicht mit dem Gefühl des wohlbehütet sein ausschließt.

Wunderbar einfühlsam hat die Autorin die Wildheit, das Temperament und das regelfreie Leben von Will in Südafrika im Kontext zu dem strengen und streng reglementiertem Dasein im kalten England herausgearbeitet. Statt Tiere und Farben, Düfte in Hülle und Fülle gibt es Bücher, Schule und Hausaufgaben. Die Diskrepanz und Will`s persönlicher Zerrissenheit zwischen diesen beiden so unterschiedlichen Welten ist schockierend wie nachvollziehbar. Ihre Sehnsucht nach ihrem Afrika und die Verzweiflung darüber, nicht zu wissen, ob und wann sie es wiedersehen wird, ist so schmerzhaft beschrieben, dass man es selbst aus Distanz nachfühlen kann – ohne dass sie sich in Rührseligkeit verliert. Dafür sorgt Will mit ihrem Pragmatismus und eisernem Willen, wenn`s drauf ankommt. Dass sie durch die zufällige Bekanntschaft mit einem Jungen, die sich folgenreich entwickelt, tatsächlich englischen Boden unter den Füßen bekommt, mag vielleicht recht einfach konstruiert erscheinen, ist aber durch die gewitzte Umsetzung plausibel und damit letztlich wieder originell. Dieser Roman überzeugt durch seine ungewöhnliche, ganz eigene und vielfarbige Sprache und einer charismatischen Protagonistin, die den Leser mit ihrer Geschichte fesselt. Eine junge, interessante Autorin mit einem hervorragendem Debüt, die man im Auge behalten sollte!

Da die Hauptprotagonistin ein junges Mädchen ist, wird die Lesezielgruppe sicher auch eher weiblich sein, was im Grunde sehr schade ist, da der Roman nicht nur durch seine burschikose Weise auch für Jungs interessant sein dürfte. Und schließlich spielt auch ein Junge eine nicht unwichtige Rolle…

Ein Lob auch an die stimmige Übersetzung von Henning Ahrens, die die facettenreiche Stimmung von Will wiedergibt, ey, o.k., ja!

Zum Cover:

Auffallend und zu Geschichte passend sind die schwarzen Füße. Denn Will`s Füße – und Seele bleiben für immer schwarz (pardon, politically correct = farbig). Egal, wie oft und wie lange sie sich waschen wird. 😉

Wunderschön auch der orange gemusterte Bucheinband- und rücken, der an einen alten Leineneinband erinnert und auch schon auf dem seitlichen Umschlagcover angedeutet wird.

Bewertung:

Sabine Hoß

 

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