70 Meilen zum Paradies

70 Meilen KLEIN

Robert Klement

Jungbrunnen, 2006

144 Seiten, € 14,95

ab 13 Jahren

 

 

 

Als an einem Dezembertag eine Granate das Haus von Siad, einem jungen Krankenpfleger aus Mogadischu/Somalia zerfetzt und er dadurch seine Frau und älteste Tochter verliert, steht für ihn fest, dass es für ihn und für seine 14 Jahre alte Tochter Shara keine Zukunft in seiner Heimat gibt. Er gibt sein letztes Geld an windige Schleuser, um mit 55 anderen Flüchtlingen die 70 Meilen über Land und Meer bis nach Europa zu gelangen. Ihr Ziel ist Lampedusa, das Tor in eine bessere Welt. Siad weiß, dass diese Überfahrt alles andere als einfach wird, doch das, was er und seine Tochter auf der „Tunis“, erleben, ist jenseits allem Vorgestellten. Der Kapitän des viel zu kleinen Schiffes hat keine Ahnung von Navigation, der Motor fällt bald aus, drei Menschen gehen über Bord, Hunger, Durst, Verzweiflung und Angst lassen die Flüchtenden immer wieder aneinander geraten. Als das treibende Boot in der Zwölf-Meilen-Zone von der italienischen Küstenwache aufgegriffen wird, ist die nächste Station nicht die erhoffte Freiheit, sondern die mit Stacheldraht verstärkten Eisentore des Aufnahmelagers auf Lampedusa. Vermeintlich scheint hier der Albtraum ein Ende, zumindest hoffen das Siad und Shara und die anderen völlig erschöpften und ausgemergelten Flüchtlinge. Doch hier müssen sie die brutale, erniedrigende Behandlung des Wachpersonals und der Lagerleitung erdulden und sich gleichzeitig dagegen behaupten, dabei die menschenunwürdige Unterbringung ertragen. Die ersehnte Freiheit ist noch lange nicht in Sicht, denn jetzt müssen die beiden jeden Tag damit rechnen, wieder nach Afrika abgeschoben zu werden. Nach drei Monate Bangen vor Abschiebung in verschiedenen Lagern, erhalten Siad und Shara eine befristete Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre in Europa. Doch es sind noch viele Hürden zu überwinden, bis sie ihren Traum realisieren können, ein neues, unabhängiges Leben in Kanada zu beginnen. Aber Siad und Shara sind stark und halten zusammen…

Bereits 2006 erschien der mit u.a. Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis und anderen Ehrungen ausgezeichnete Roman „70 Meilen zum Paradies“, der aktuell in der vierten Auflage auf dem Markt ist. Die Thematik ist auch nach fast 10 Jahren leider brennend aktuell und an die dramatischen Situation der Flüchtenden wie auch in vielen Flüchtlingslagern (Lampedusa) hat sich wenig zum Positiven entwickelt.

Robert Klement präsentiert mit den beiden Protagonisten Siad und Shara eine Geschichte, die bewegend nachhallt. Er verzichtet dabei auf Spektakuläres  und präsentiert dafür genau recherchierte Fakten, die die für uns nicht nachvollziehbare Tragödie der Flüchtenden aus ihren Heimatländern klar, sachlich und dennoch mit eindringlich transparent macht. Was muss passieren, dass Menschen ihr geliebtes Heimatland, den Rest der Familie, Freunde hinter sich lassen, um wissentlich eine lebensgefährliche Reise anzutreten, bei der sie auf eine bessere Zukunft am Ende hoffen, es aber keineswegs sicher ist, sie auch zu erleben?

Ein bis heute wichtiges Buch, dass die Flüchtlingssituation und Problematik unter die Haut gehend beschreibt. 2015 haben sich die Dimensionen und Probleme um ein vielfaches verschärft. Und man fragt sich, warum die Entwicklung nicht in eine positivere Richtung gegangen ist und warum wir diesen Menschen, die so viel Tragödie und Elend erleben, ihr Leben und das ihrer Kinder riskieren, um ihnen eine bessere Zukunft zu bieten, mit so viel Abneigung und Widerstand in Europa begegnen?

Sabine Hoß

 

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