Ringel Rangel Rosen

Kirsten Boie

„Ringel Rangel Rosen“

Oetinger, Februar 2010

192 Seiten, € 14,95

ab 12 Jahre

Inhalt:

Im ersten Teil des in drei Abschnitten unterteilten Romans genießt  die noch kindliche Karin die Sommerferien 1961, die damit verbundene Freiheit und Sorglosigkeit. Ein neuer Fernseher ist Anziehungspunkt für die Nachbarschaft, die mehr oder weniger gerne aufgenommen wird. Die einschneidenden politischen Veränderungen wie der Bau der Mauer in Berlin oder die Reportagen über den Eichmannprozess in Berlin interessieren Karin wenig. Ihre Freundin Regina macht sie mit dem Buch „Sternenkinder“ (von Clara Asscher-Punkhof) auf die furchtbaren Geschehnisse der Juden während des zweiten Weltkrieges aufmerksam. Doch Karin schiebt gerne solch unangenehme Fakten und Gedanken von sich weg. Zu sehr genießt sie das unbeschwerte Leben in gewohnter Umgebung wie im Paradies.

Der zweite Teil des Romans beginnt im Februar 1962. Karin beschreibt in Rückblenden das Ausmaß und das persönliche Erleben der Flutkatastrophe. Die Vertreibungen der Deutschen aus dem Osten während des zweiten Weltkrieges wird im Kontext zu den Heimatlosgewordenen Flutgeschädigten gesetzt. Der Abzählreim Ringel Rangel Rosen zieht sich wie ein roter Faden durch den Roman und unterstreicht gerade in diesem Abschnitt einzelne Passagen. Die Erlebnisse dieser Nacht sind für Karin einschneidend, prägend und setzt sie zunächst auch unter Schock. Als sie während der Flutkatastrophe notdürftig in einer Turnhalle untergebracht ist, entdeckt sie ein Fotoalbum, was viele Fragen aufwirft.  Als Karin ihre Eltern darauf anspricht, erhält sie nur eisiges Schweigen und Ablehnung.

Der dritte Teil setzt im Sommer 1963 an. Die Veränderungen nach der Flut sind nicht zu übersehen. Karins Eltern beziehen eine größere Wohnung, der Vater bekommt das erste eigene Auto und Karin geht selbstbewusst auf eine neue Schule. Während der Oma Domischkats Trauerfeier blickt Karin in die Vergangenheit und verbindet ihre eigenen Gedanken mit Aussprüchen von Oma Domischkat und ihren Eltern. Karin ist nicht mehr das Kind, das man bei unangenehmen Fragen schnell zum Schweigen bringt. Sie wird fordernder und setzt ihre eigenen Vorstellungen immer mehr durch. Zentrale Frage bleibt immer noch die Frage nach den beiden herausgerissenen Fotos – und die Suche nach einem neuen Paradies.

Rezension:

Eine kurze Rezension zu schreiben, wäre für dieses Buch nicht angemessen. Eine lange, ausführliche Besprechung würde dem Leser spannende, entscheidende und bewegende Momente nehmen, daher habe ich lange mit mir gerungen, in welcher  Form und Länge ich diese Geschichte porträtieren soll.  Dieser Roman ist mit seiner Verknüpfung von verschiedenen zeitgeschichtlichen Perspektiven und unterschiedlichen Erzählebenen so vielschichtig, dass man entweder zuviel verraten würde oder aus der hervorragend aufgebauten Spannungspyramide mit Sicherheit einen Block zu wenig Beachtung schenkt.

Kirsten Boie ist ein selten beschriebenes Stück Zeitgeschichte gelungen, dass in seiner ansteigenden, feinfühligen Intensität mutig und bewegend ist. Im dritten Abschnitt gelingt ihr wahrlich meisterhaft immer wieder Karins Rückblenden mit dem „Vater unser“-Gebet zu durchbrechen, ohne dass der Erzählfluss den roten Faden verliert.

Mit dieser literarischen Perle hebt sich die Autorin von ihren bisherigen Werken eindeutig ab.

Es ist nicht nur ein Jugendbuch, dass eine Identitätsentwicklung vom zunächst noch kindlichen zur rebellierenden, fragenden und fordernden Jugendlichen sowie den Verlust von Heimat und Geborgenheit beschreibt. Es ist vor allem der mutige Versuch an Erwachsene (meiner Generation und der meiner Eltern) zu erklären, warum in vielen Familien bis heute auf die immer noch offenen Fragen zu den unausgesprochenen Geschehnissen während des zweiten Weltkrieges der eiserne Mantel des Schweigens gehalten wird.

Zu Recht gehört Kirsten Boie zu einer der hervorragendsten Autorinnen im deutschen Kinder- und Jugendbuchbereich.

Sabine Hoß

Bewertung:

Ein Interview mit der Autorin findet Ihr hier:

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